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Sind häufige Umzüge für Kinder schädlich?

8. Juni 2010

Sind häufige Umzüge für Kinder schädlichKinder gelten als besonders anpassungsfähig, zum Beispiel bei einem Schul- oder Ortswechsel. Eine aktuelle Studie hat die Auswirkung von Umzügen in der Kindheit untersucht und zeigt, dass das seelische Wohlbefinden von Menschen, die von Natur aus sensibel sind, darunter leiden kann. Wir haben die Pressemitteilung des Journals zu der Studie von letzter Woche übersetzt, die den erstaunlich nachhaltigen Effekt beschreibt:

In eine andere Stadt zu ziehen oder auch nur in einen Nachbarbezirk, ist für Menschen eine Belastung, egal in welchem Alter. Aber eine neue Studie zeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen häufigem Ortswechsel in der Kindheit und einem geringeren Wohlbefinden von Menschen im Erwachsenenalter gibt. Das gilt besonders für Menschen, die eher introvertiert oder neurotisch sind.

Die Forscher untersuchten den Zusammenhang zwischen der Anzahl der Umzüge in der Kindheit und dem späteren Wohlbefinden von Menschen an einer Gruppe von 7108 erwachsenen US-Amerikanern, die über einen Zeitraum von zehn Jahren beobachtet wurden. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in der Juniausgabe des Journals of Personality and Social Psychology veröffentlicht, das von der American Psychological Association herausgegeben wird.

„Wir wissen, dass Kinder, die häufig umziehen, in der Schule oft nicht so gut mitkommen und mehr Verhaltensschwierigkeiten haben”, sagt der erste Autor der Studie Dr. Shigehiro Oishi von der University of Virginia in den USA. „Aber die langfristigen Auswirkungen häufiger Umzüge auf das Wohlbefinden im Erwachsenenalter sind bis jetzt nicht untersucht worden.“

Die Studienteilnehmer, die zwischen zwanzig und fünfundsiebzig Jahre alt waren, wurden 1994 und 1995 im Rahmen einer landesweit repräsentativen Stichprobenerhebung befragt und dann noch mal zehn Jahre später. Die Forscher sammelten Daten zu der Anzahl der Umzüge in der Kindheit, das seelische Wohlbefinden, den Persönlichkeitstyp und die sozialen Beziehungen der Teilnehmer.

Die Ergebnisse zeigten, je öfter Menschen als Kinder umgezogen waren, desto geringer war bei der Befragung ihre Lebenszufriedenheit und ihr seelisches Wohlbefinden, auch wenn Unterschiede bei Alter, Geschlecht und Bildungsstand der Teilnehmer berücksichtig wurden. Außerdem hatten Menschen, die als Kinder öfter umgezogen waren, weniger enge soziale Beziehungen.

Weiter untersuchten die Forscher, ob unterschiedliche Persönlichkeitstypen – Extravertiertheit, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus (emotionale Labilität) – einen Einfluss auf das Wohlbefinden von Menschen hatten, die in der Kindheit oft umgezogen waren. Introvertierte Menschen fühlten sich umso weniger wohl, je öfter sie als Kinder umgezogen waren. Dagegen war das Wohlbefinden von extravertierten Menschen unabhängig von der Zahl der Ortswechsel in der Kindheit.

„Wenn Menschen häufig umziehen, ist es für sie schwerer, enge Beziehungen über längere Zeit aufrecht zu erhalten”, sagt Oishi. „Für Menschen, die gut auf andere zugehen können, und die schnell und einfach neue Freundschaften schließen, muss das kein ernsthaftes Problem sein. Aber Menschen, die weniger aus sich herausgehen, fällt es schwerer, neue Freunde zu finden.“

Die Ergebnisse zeigten, dass neurotische Menschen, die oft umgezogen waren, mit ihrem Leben weniger zufrieden waren und sich seelisch nicht so wohl fühlten wie Menschen, die nicht so oft umgezogen waren, oder die keine neurotische Persönlichkeit hatten. In dieser Studie definierten die Autoren Neurotizismus als eine Persönlichkeit, für die Launenhaftigkeit, Nervosität und Überempfindlichkeit typisch sind. Dabei hatte aber die Anzahl und Qualität der Beziehungen neurotischer Menschen keinen Einfluss auf ihr Wohlbefinden, egal wie oft sie als Kinder umgezogen waren. Oishi vermutet, das könnte an der allgemein eher negativen Art liegen, mit der neurotische Menschen auf belastende Ereignisse in ihrem Leben reagieren.

Außerdem untersuchten die Forscher die Sterblichkeitsraten der Studienteilnehmer. Die Ergebnisse zeigten, dass Menschen, die als Kinder öfter umgezogen waren, zum Zeitpunkt der zweiten Befragung häufiger verstorben waren. Dieser Effekt war auch nach Berücksichtigung von Alter, Geschlecht und Rasse noch sichtbar. „Wir können vermuten, dass ein häufiger Ortswechsel mit mehr Stress verbunden ist, und es ist bekannt, dass Stress der Gesundheit von Menschen schadet“, sagt Oishi. „Aber wir brauchen weitere Untersuchungen über diesen Zusammenhang, bevor wir daraus schließen können, dass häufiges Umziehen in der Kindheit tatsächlich zu langfristigen Gesundheitsschäden führen kann.“

Quellen:

American Psychological Association, 3.6.10

Oishi & Schimmack. J. Personality & Social Psychology, Juni 2010

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Rubrik: Glücksforschung, Kinder & Jugendliche, Mensch & Gruppe
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