skip to content

Online-Psychotherapie: Geht das?

20. August 2009

Man möchte zunächst meinen, um Gottes willen – das geht natürlich nicht! Aber wie so häufig, lohnt es sich auch hier einmal genauer hinzuschauen und dann stellt man fest: Es mag durchaus Felder geben, in denen zumindest die Unterstützung durch das Internet sinnvoll ist. In unseren Therapien beispielsweise spielen „Hausaufgaben“ oder auch das Führen eines „Tagebuchs“ eine wichtige Rolle, um bestimmte Verhaltensweisen besser zu verstehen oder andere, gewünschte Verhaltensweisen einzuüben. Hier kann man sich durchaus vorstellen, dass einige dieser Aufgaben sich online sinnvoll unterstützen lassen.

In der New York Times von letzter Woche wurde vor einigen Tagen von einer interessanten Untersuchung zu dem Thema berichtet. Ich fasse den Artikel auszugsweise zusammen: In einer Studie, die von Forschern der University of Virginia durchgeführt wurde, wurden Patienten mit Schlafstörungen gebeten über eine Dauer von mehreren Wochen ihr „Schlaftagebuch“ in ein Online-Programm einzugeben.  Die Patienten gaben unter anderem an, wann sie ins Bett gingen, wie häufig und wie lange sie in der Nacht aufwachten, wann sie wieder einschliefen etc.  Das Programm rechnete daraufhin aus, wie lange die effektive Schlafdauer des Patienten war und wies sie an, nur genau für diese Zeit auch tatsächlich das Bett aufzusuchen. Der Entwickler des Programms, der Psychologe Lee Ritterband dazu in einem Interview:  „Das Ziel ist es, zunächst einmal durchgängige Schlafphasen zu erreichen und diese dann allmählich zu verlängern; – die gleiche Technik, die in der Regel auch in dem persönlichen Gespräch zwischen Therapeut und Patient vereinbart und eingeübt wird.“

Das Programm dauert insgesamt 9 Wochen. In dieser Zeit wird der Patient angewiesen, das Bett zu verlassen, wenn er aufwacht und innerhalb von 15 Minuten nicht mehr einschlafen kann. Mit Texten, Animationen und Ãœbungen wird der Patient außerdem darin unterstützt alles abzustellen, was seinen Schlaf stören könnte. Dies sind zum Beispiel kreisende Gedanken wie „Wenn ich nicht meine 8 Stunden Schlaf bekomme, komme ich morgen nicht durch den Tag..“ [kennen wir alle, oder?]  Zum anderen wird der Patient darin unterstützt, im Bett nicht zu arbeiten, kein Fernsehen zu schauen etc.,  damit sein Körper sich daran gewöhnt, dass – wenn er im Bett ist – geschlafen wird.

In einer aktuellen Studie mit 45 Erwachsenen konnte nun nachgewiesen werden, dass die Teilnahme an dem Programm zu einem deutlich besseren Schlafverhalten führte.  Insbesondere die Zeit, in der die Patienten wach im Bett lagen, verringerte sich erheblich gegenüber einer Kontrollgruppe, die nicht an dem Programm teilnahm.  In einer weiteren Studie in Kanada wurde die Wirksamkeit eines vergleichbaren Programms untersucht. Auch hier traten ähnlich eindeutige Effekte auf.

Was bedeutet dies für unsere therapeutische Arbeit? Ich denke, wir sollten unsere Augen durchaus offen halten nach situativer Unterstützung unserer Arbeit durch Online-Tools. Inzwischen haben wir ja bereits sehr gute Erfahrung damit gemacht, dass viele unserer Patienten ihre Diagnostik-Fragebögen online ausfüllen und wir dann schon im darauffolgenden Gespräch auf der dann bereits vorliegenden Auswertung aufbauen können.

Ich denke, wir werden in Zukunft weitere sinnvolle Werkzeuge kennenlernen und sollten diese dann auch einsetzen, wenn sie dazu beitragen, den Therapieerfolg zu steigern oder zu beschleunigen.  Bis allerdings online-Tools die Fähigkeit entwickeln, zu erkennen, dass hinter den Schlafstörungen möglicherweise ganz andere Probleme stecken, über die man einmal sprechen sollte…, – bis dahin ist es noch ein sehr, sehr weiter Weg.

Quelle:

New York Times, 10. August 2009

Verwandte Artikel:

Was ist kognitive Verhaltenstherapie? Interview mit Dr. Judith Beck

Lässt sich die Therapie von ADHS mit Computerspielen für Kinder unterstützen?

Wie funktioniert Verhaltenstherapie?

Wie hilft Psychotherapie bei Schlafstörungen?

Rubrik: Online-Therapie, Schlafstörungen, Verhaltenstherapie
Tags: , , ,


2 Kommentieren

  1. richard
    August 28th, 2009

    Ich meine auch dass es nicht geht :). Eine sehr interessante Untersuchung. Vielen Dank für die Information.

    Grüße, Richard

  2. andi
    September 24th, 2009

    tolle idee. wäre sehr interessant für mich dies mal auszuprobieren 🙂

Zurück zum Anfang