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Warum können Kinder mit Dyslexie dem Unterricht schlechter folgen?

13. November 2009

Manchen Kindern fällt es in der Schule besonders schwer, lesen zu lernen. Eine aktuelle Studie hat nun einen Mechanismus im Gehirn identifiziert, der bei diesen Kindern gestört ist, sodass sie sich auf Sprache nur schwer konzentrieren können. Ich habe die Pressemitteilung der Autoren zusammengefasst und übersetzt.

Eine neue Forschungsuntersuchung zeigt, dass Kinder mit Entwicklungsdyslexie (Leseleistungsschwäche) einen Defekt in einem Mechanismus im Gehirn haben, der eine Rolle bei der Wahrnehmung von Sprache in einer geräuschvollen Umgebung spielt. Die Studie, die Cell Press in der Novemberausgabe von Neuron veröffentlichte, liefert den ersten direkten Beweis, dass sich das auditorische (für das Hören zuständige) Stammhirn des Menschen bemerkenswert schnell umformen und eine Feineinstellung vornehmen kann, die für das Herausfiltern von störenden Geräuschen wichtig ist.

Die meisten Menschen haben kaum Schwierigkeiten, sich mit einem Freund in einem lauten Restaurant zu unterhalten. Das liegt an der hohen Anpassungsfähigkeit unseres auditorischen Systems. Es kann sich auf den gewohnten, immer gleichen Klang der Stimme des Freundes konzentrieren und so die zufälligen, ständig wechselnden Geräusche im Hintergrund wirksam ausblenden. Obwohl das ein ganz normaler Vorgang ist, weiß niemand genau, wie das Nervensystem dieses Kunststück zustande bringt.

„Wenn wir den Zusammenhang zwischen der Anpassungsfähigkeit des auditorischen Systems und der Wahrnehmung von Sprache in einer geräuschvollen Umgebung verstehen, ist das von klinischer Bedeutung. Denn aktuelle Studien haben gezeigt, dass die fünf Prozent aller Schulkinder, bei denen eine Entwicklungsdyslexie festgestellt wird, für die störenden Auswirkungen einer Geräuschkulisse besonders anfällig sein können“, erklärt die Autorin und Studienleiterin Prof. Nina Kraus, Direktorin des Auditory Neuroscience Laboratory an der Northwestern University in Chicago.

Für ihre Untersuchung zeigten Prof. Kraus und ihre Mitarbeiter Kindern mit oder ohne Entwicklungsdyslexie ein Video und maßen dabei die Gehirnaktivität im auditorischen Stammhirn. In diesem Teil des Gehirns wird die auditorische Information zuerst aufgenommen, bearbeitet und dann an höhere Zentren im Gehirn weitergeleitet. Während die Kinder das Video sahen, wurde die Sprachsilbe „da” immer wieder entweder alleine (repetitiv) oder zufällig unter andere Silben gemischt (variabel) eingespielt.

Die Forscher zeichneten im Stammhirn die Nervenaktivität auf, die charakteristisch für die Wahrnehmung des Klangs einer Stimme ist. Dabei stellten sie fest, dass diese Aktivität bei normalen Kindern durch das Hören der repetitiven Silben im Vergleich zu den variablen erhöht wird. Dagegen veränderte sich die Aktivität bei dyslexischen Kindern kaum, d.h. in ihrem Stammhirn ist das „Kodieren” der Silbe (ein erster Schritt bei der Wahrnehmung) gestört.

Die Forscher zeigten weiter, je besser im auditorischen Stammhirn das Kodieren der vertrauten repetitiven Sprachelemente funktionierte, desto besser war auch die Wahrnehmung von Sprache vor einem Geräuschhintergrund. „Die Fähigkeit des Gehirns, sich wiederholende Sprachelemente mit erhöhtem Kontrast abzubilden, ist von entscheidender Bedeutung für die Wahrnehmung von Sprache vor einem Geräuschhintergrund. Denn sie ermöglicht eine besondere Markierung des Klangs der Stimme und bietet einen wichtigen Anhaltspunkt, um verschiedene Klangfolgen vor einem Geräuschhintergrund voneinander zu unterscheiden“, erklärt Prof. Kraus. „Eine Störung in diesem Mechanismus trägt dazu bei, dass etwas Entscheidendes beim Herausfiltern von Geräuschen fehlt, was häufig ein Symptom für Entwicklungsdyslexie ist.“

Interessanterweise beobachtete das Team von Prof. Kraus auch, dass dyslexische Kinder im Vergleich zu nicht dyslexischen während der Experimente mit variablen Silben eine erhöhte Gehirnaktivität hatten. „Das könnte dyslexischen Kindern eine Fähigkeit verleihen, Reize in ihrer Umwelt vielfältiger und vielleicht kreativer wahrzunehmen, allerdings um den Preis, dass sie bedeutungslose Signale weniger gut ausblenden können“, vermutet Prof. Kraus.

Quellen:

EurekAlert!, 11. Nov 2009

Neuron, 12. Nov 2009

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Rubrik: Hirnforschung, Kinder & Jugendliche
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