Macht Mittagsschlaf schlau?
Gut ausgeschlafene Schüler lernen am besten – aber wieso eigentlich? Eine neue Studie von Forschern aus den USA zeigt, dass während des Schlafs ein entscheidender Schritt beim Lernprozess stattfindet. Ich habe eine Pressemitteilung der Universität vom 22. Februar übersetzt, der die Untersuchung vorstellt, von der auch Senioren profitieren könnten:
Wenn Sie das nächste Mal einen Studenten in der Bibliothek wegdösen oder eine Kollegin am Arbeitsplatz bei der Siesta sehen, verdrehen Sie nicht gleich die Augen. Eine neue Studie von der University of California in Berkeley zeigt, dass ein Stündchen Schlaf die geistige Leistungsfähigkeit erheblich steigern und wiederherstellen kann. Weiter zeigen sie, dass ein zweiphasiges Schlafmuster nicht nur den Geist erfrischt, es kann Menschen sogar schlauer machen.
Umgekehrt zeigt die Untersuchung, dass der Geist zunehmend träger wird je länger ein Mensch wach ist. Damit bestätigt sie frühere Ergebnisse desselben Forscherteams, dass eine Nacht durchmachen – ein unter manchen Jugendlichen verbreitetes Ritual während der kurzen Schulferien und nach großen Prüfungen – die Aufnahmefähigkeit für neuen Lernstoff um fast vierzig Prozent vermindert, weil sich bestimmte Gehirnregionen bei Schlafmangel einfach abschalten.
„Schlaf gleicht nicht einfach nur die Auswirkungen eines länger andauernden Wachzustandes aus. Sondern, was die geistigen Gehirnfunktionen angeht, macht er Sie noch frischer als vor dem Schlafen”, sagt Matthew Walker, der Leiter der Untersuchungen und ein Assistant Professor für Psychologie an der UC Berkeley.
Für ihre neuste Schlafstudie teilten die Forscher der UC Berkeley 39 gesunde junge Erwachsene in zwei Gruppen auf – Schläfchen und kein Schläfchen. Zur Mittagszeit machten alle Teilnehmer einen anspruchsvollen Lerntest, der ihren Hippocampus strapazieren sollte. Diese Gehirnregion spielt bei der Gedächtnisspeicherung von Faktenwissen eine Rolle. Beide Gruppen lernten ähnlich gut.
Um vierzehn Uhr hielt die Schlaf-Gruppe eine neunzigminütige Siesta, während die andere Gruppe wach blieb. Alle Teilnehmer machten dann am gleichen Tag um achtzehn Uhr einen zweiten Lerntest. Die Versuchspersonen, die den ganzen Tag wach geblieben waren, lernten jetzt schlechter. Diejenigen, die kurz geschlafen hatten, lernten dagegen deutlich besser als die andere Gruppe und sogar besser als sie selbst bei ihrem ersten Test vor dem Mittagsschlaf.
Damit bestätigten die Ergebnisse die Hypothese der Forscher, dass Schlaf dazu dient, den Speicher für das Kurzzeitgedächtnis im Gehirn zu entleeren und Platz für neue Informationen zu schaffen, sagt Walker, der seine noch vorläufigen Ergebnisse am 21. Februar auf der Jahrestagung der American Association of the Advancement of Science (AAAS) in San Diego in Kalifornien vorstellte.
Seit 2007 haben Walker und andere Schlafforscher in ihren Untersuchungen wiederholt gezeigt, dass die Erinnerung von Tatsachen zunächst im Hippocampus gespeichert wird. Von dort wird sie dann zur Stirnregion des Großhirns gesendet, dessen Speicherkapazität größer sein könnte.
„Das ist etwa so, als wenn der Posteingang der E-Mail in Ihrem Hippocampus voll ist, und bis Sie schlafen und dabei diese Fakten-E-Mails wegsortieren, können Sie keine neuen Mails mehr empfangen. Sie werden einfach wieder zurückgesendet, bis Sie geschlafen und dabei die Mails in einen anderen Ordner verschoben haben,” sagt Walker.
In ihrer neusten Studie haben Walker und sein Team eine grundlegende Entdeckung gemacht, nämlich dass dieser Prozess der Gedächtniserneuerung während einer ganz bestimmten Schlafphase stattfindet. EEG– (Elektroenzephalogramm-) Tests der elektrischen Aktivität im Gehirn haben gezeigt, dass diese Erneuerung der Gedächtniskapazität etwas mit dem sogenannten Stadium II des Non-REM-Schlafs zu tun hat. In diesem Stadium befindet sich der Schlafende zwischen Tiefschlaf (Stadium IV des Non-REM-Schlafs) und Traumschlaf (REM-Schlaf; von Rapid Eye Movement, englisch für schnelle Augenbewegungen). Der Zweck dieses Stadiums war bis jetzt nicht klar, aber die neuen Ergebnisse bieten nun eine mögliche Erklärung, warum Menschen mindestens die Hälfte ihres Schlafs im Stadium II des Non-REM-Schlafs verbringen, sagt Walker.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mutter Natur uns fünfzig Prozent der Nacht ohne guten Grund von einem Schlafstadium zu einem anderen wechseln lässt“, sagt Walker. „Der Schlaf ist hoch entwickelt. Er gibt uns genau das, was wir brauchen.“
Walker und seine Mitarbeiter wollen nun untersuchen, ob die kürzer werdende Schlafdauer in höherem Alter etwas mit der bekanntlich abnehmenden Lernfähigkeit älterer Menschen zu tun hat. „Wenn wir solch einen Zusammenhang finden, könnte uns das helfen, den Abbau der Gehirnfunktion bei Erkrankungen wie Alzheimer besser zu verstehen,“ sagt Walker.
Quelle:
University of California-Berkeley News, 22. Feb 2010
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Rubrik: Hirnforschung, Leistungsfähigkeit, Schlafstörungen
Tags: EEG, Gehirnaktivität, neuronales Netzwerk, Verhaltensforschung