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Hängt die Fähigkeit zu vergeben vom Alter ab?

1. Februar 2009

In der vorletzten Ausgabe des Journals of Research in Personality ist eine interessante Studie zum Thema „Vergebung“ erschienen.  Persönliche Verletzungen durch andere zu erleiden bleibt leider niemanden erspart. Die Reaktionen hierauf können jedoch sehr unterschiedlich sein, zum Beispiel „Rache nehmen“ oder den Urheber der Verletzung meiden oder eben ihm (mittel- oder langfristig) vergeben. Wovon hängt Fähigkeit vergeben zu können ab?

Eine Antwort liefert Matthias Allemand von der Universität Zürich mit einer Untersuchung, in der er der Frage nachging, ob das Alter der Betroffenen hierfür eine Rolle spielt.  In seinem Experiment bat er 357 Erwachsene aus unterschiedlichen Altersgruppen Fragen zu beantworten, die aus einer hypothetische persönlichen Verletzung abgeleitet waren. Die imaginierte Verletzung bestand darin, dass ein Freund/Bekannter willentlich Dinge aus der Vergangenheit der Person öffentlich gemacht hatte, die niemals öffentlich werden sollten.

Tatsächlich zeigte sich, dass ältere Menschen eher bereit wären, dem Freund/Bekannten sein Fehlverhalten zu vergeben als  jüngere Menschen. Allemand hatte dies aufgrund ähnlicher Untersuchungsergebnisse in der Vergangenheit  bereits vermutet und hatte seinen Versuch daher ergänzt um Fragen, die klären helfen sollten, was die Gründe für dieses altersspezifische Verhalten sind. Eine – durch bisherige Forschung zu dem Thema gut belegte –  Hypothese ist, dass ältere Menschen schlichtweg besser in der Lage sind, ihre Gefühle zu kontrollieren, d.h. in einem Fall wie dem oben beschriebenen mit weniger Ärger oder Wut zu reagieren. Dies ist sicherlich eine wichtige Voraussetzung, um rascher vergeben zu können.

Darüber hinaus  fand Allemand jedoch eine weitere Erklärung:  Offensichtlich hing die Bereitschaft der älteren Menschen zu vergeben stark davon ab, ob sie sich bewusst machen, dass ihre (Lebens-) Zeit begrenzt ist. Den Einfluss der „begrenzten Zeit“ auf die Fähigkeit zu vergeben, begründet Allemand wie folgt: Ältere Menschen haben per se einen stärkeren Fokus auf die Gegenwart als jüngere Menschen, die ihr Leben sehr viel stärker an Zukunftserwartungen ausrichten. Mit dem Fokus auf die Gegenwart einher geht der Wunsch nach friedlichen  Beziehungen zu den Mitmenschen, denn es ist eben unter anderem die Qualität der gegenwärtigen Beziehungen, die darüber entscheiden, ob sie mit ihrem Leben zufrieden sind. Einfach auf die Zukunft vertrauen ist zwar auch für viele junge Menschen ein irreführendes Konzept, aber nur die älteren wissen, dass sie sich auf die Zukunft nicht mehr verlassen können.

Quelle:

Allemand. Journal of Research in Personality, 2008

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Rubrik: Alter
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1 Kommentieren

  1. Martin Overlack
    Februar 17th, 2009

    Zwei Dinge würde ich gerne ergänzen aus Sicht eines Alternden (47): Ich glaube nicht, dass ich Gefühle wirklich kontrollieren kann. Sie sind da, ob ich nun will oder nicht. Aber die Fähigkeit, in wie weit ich mich von diesen Gefühlen leiten lasse, hat sich im Laufe meines Lebens stärker ausgeprägt – zumindestens ein wenig. Eine weitere Erkenntnis kommt hinzu, die mir dabei hilft, ab und an meinen Gefühlen zuzuschauen: Gefühle entstammen aus meiner Lebenserfahrung (also meiner Vergangenheit) und selten aus dem gerade erlebten. Ich hoffe, dass sich diese Einstellung noch etwas mehr ausprägen wird…

    Wenn dies nun für mich gilt, so kann ich auch verletzend wirkendes Verhalten von anderen besser einsortieren und somit auch vergeben – zumindestens ab und an. Letztendlich ist auch dieses Verhalten emotional beeinflusst. In einem ausgeglichenen Zustand würden wir kaum Dinge von anderen preisgeben, von denen wir wissen, dass dies den anderen verletzen würde.

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