Wie wirkt sich Stress mit dem Boss auf das Privatleben aus?
Etwa fünf Prozent aller Arbeitnehmer fühlen sich auf der Arbeit gemobbt. Dabei ist Mobbing durch den Boss (manchmal auch Bossing genannt) genauso häufig wie durch Kollegen. Eine aktuelle Studie hat die Auswirkungen dieser Form des Mobbings auf das Privatleben von Arbeitnehmern untersucht. Wir haben die Presseerklärung der Universität zu der Studie von Ende November übersetzt, die sich besonders auf die Folgen für die Partner der Opfer konzentrierte:
Wenn jemand von seinem Chef schikaniert wird, verursacht das nicht nur Probleme auf der Arbeit, sondern es kann auch zu Spannungen in der Beziehung mit dem Partner zu Hause führen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Wissenschaftlern an der Baylor University in den USA, die jetzt online in dem Journal Personnel Psychology erschienen ist. Die Studie zeigt, dass der Stress und die Anspannung, die Schikanen durch einen Chef verursachen, auch den Partner des Arbeitnehmers in Mitleidenschaft ziehen, was sich auf ihre Beziehung auswirkt und schließlich auf die ganze Familie des Arbeitnehmers.
Weiter zeigte die Studie, dass Arbeitnehmer mit mehr Kindern zu Hause mit ihrem Familienleben zufriedener waren, und je länger Partner schon zusammen waren, desto weniger beeinträchtigten die Schikanen eines Chefs das Familienleben.
„Dies sind Ergebnisse von großer Tragweite für Arbeitgeber und ihre Manager. Die Daten zeigen, wie wichtig es ist, dass Organisationen eine eindeutige Botschaft an Mitarbeiter in leitenden Positionen senden, dass solch aggressive und schädigende Verhaltensweisen nicht toleriert werden“, sagt der erste Autor der Studie Dr. Dawn Carlson, der Professor für Management ist. Carlson hat den H. R. Gibson-Lehrstuhl für Entwicklung von Organisationen an der Hankamer School of Business der Baylor University in Waco, Texas inne.
Schikanöses Verhalten eines Vorgesetzten kann sich in cholerischen Anfällen, Unverschämtheiten, Kritik im Beisein anderer und unsensiblem Verhalten äußern.
„Je mehr die Schikanen eines Vorgesetzten die Spannungen in einer Beziehung verstärken, desto weniger könnte ein Arbeitnehmer motiviert oder dazu fähig sein mit seinem Partner und anderen in der Familie positiv umzugehen“, sagt die Mitautorin Dr. Merideth Ferguson, eine Assistenzprofessorin für Management und Unternehmensleitung an der Baylor University.
Organisationen sollten ihre Mitarbeiter in untergeordneten Positionen ermutigen sich an die Mitarbeiterberatung ihrer Personalabteilung zu wenden oder andere Hilfen (z.B. Beratungsdienste, Stressmanagement) in Anspruch zu nehmen. Nach Meinung der Autoren kann das Arbeitnehmern dabei helfen Taktiken oder Mechanismen zu identifizieren, wie sie die Auswirkungen von Schikanen auf ihre Familie abpuffern können.
An der Studie nahmen 280 Arbeitnehmer in Vollzeitbeschäftigung und ihre Partner teil. Siebenundfünfzig Prozent der Arbeitnehmer waren männlich und hatten ihre Stellen im Durchschnitt seit fünf Jahren. Fünfundsiebzig Prozent hatten Kinder, die bei ihnen zu Hause wohnten. Das Durchschnittsalter der Arbeitnehmer und ihrer Partner war 36 Jahre und sie waren im Durchschnitt zehn Jahre zusammen. Von den Teilnehmern hatten 46 Prozent selber eine leitende Position an ihrem Arbeitsplatz, 47 Prozent arbeiteten im öffentlichen Dienst, 40 Prozent in der privaten Wirtschaft, 9 Prozent arbeiteten für eine gemeinnützige Organisation und fünf Prozent waren selbstständig. In der Gruppe der Partner waren 43 Prozent männlich und 78 Prozent von ihnen waren berufstätig.
Die Arbeitnehmer beantworteten einen Online-Fragebogen. Wenn sie mit ihrer Hälfte des Fragebogens fertig waren, füllten ihre Partner die andere Hälfte getrennt aus. Dann wurden beide Hälften kombiniert. Um seine Fragen zu beantworten, gab der Partner eine Kennzahl ein, die zur Koordination beider Hälften des Fragebogens diente. Die Antworten beider Partner wurden zu einem einzigen Datensatz zusammengefasst.
Fragen für die Arbeitnehmer waren zum Beispiel: „Wie oft zeigt Ihr Vorgesetzter im Umgang mit Ihnen folgende Verhaltensweisen?“ und ein paar der Antworten waren: „Sagt, meine Gedanken oder Gefühle sind dumm“, „Lässt seine/ihre Wut an mir aus, wenn er/sie aus einem anderen Grund wütend ist“, „Kanzelt mich vor anderen Leuten ab“ und „Sagt mir, ich sei inkompetent“.
Fragen für die Partner waren zum Beispiel: „Wie oft waren Sie im letzten Monat gereizt oder wütend wegen Dingen, die Ihr Partner machte bzw. nicht machte“ und „…waren Sie angespannt wegen Streit, Meinungsverschiedenheiten oder Unstimmigkeiten mit Ihrem Partner.“
„Arbeitgeber müssen Maßnahmen ergreifen, um Schikanen vorzubeugen oder sie zu unterbinden. Außerdem müssen sie Mitarbeitern in untergeordneten Positionen effektive Hilfen bieten, um mit den negativen Auswirkungen von Schikanen umzugehen und sie von ihren Familien fernzuhalten. Schikanöses Verhalten von Vorgesetzten ist eine Realität am Arbeitsplatz und diese Untersuchung hilft uns besser zu verstehen, wie dieser Stressfaktor das Leben eines Arbeitnehmers über den Arbeitsplatz hinaus beeinträchtigt“, sagt Carlson.
Quellen:
Baylor University, 28. Nov 2011
Carlson et al. Personnel Psychology, 2011
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Rubrik: Burnout/Stress, Partnerschaft & Paartherapie
Tags: Aggression, Mobbing, soziales Netzwerk, Sozialpsychologie