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Wie verändert sich das Selbstwertgefühl über die Zeit?

9. April 2010

Wie verändert sich das Selbstwertgefühl über die Zeit sEine aktuelle Studie hat das Selbstwertgefühl von Menschen untersucht und zeigt, dass es von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, die sich im Laufe des Lebens ändern. Wenn man alle auflistet, ergibt sich als Prototyp eines Menschen mit hohem Selbstwertgefühl ein „Mann in den besten Jahren“. Wir haben eine Pressemitteilung des Herausgebers von voriger Woche übersetzt, die die Studie zusammenfasst:

Wenn Menschen älter werden, nimmt ihr Selbstwertgefühl erst stetig zu und sinkt dann nach Erreichen des Rentenalters wieder ab. Das geht aus einer Langzeitstudie hervor, die Menschen im Alter von fünfundzwanzig bis hundertvier Jahren untersuchte.

„Menschen mit einem hohen Selbstwertgefühl sind gesünder, werden seltener straffällig, leiden weniger unter Depressionen und sind im Leben insgesamt erfolgreicher“, sagt der Leiter der Studie Dr. Ulrich Orth von der Universität Basel. „Deshalb ist es wichtig, dass wir besser verstehen, wie sich das Selbstwertgefühl von Menschen im Laufe ihres Lebens verändert.“

Die Ergebnisse zeigten, dass junge Erwachsene das niedrigste Selbstwertgefühl hatten. Aber es nahm mit dem Alter zu und erreichte mit sechzig Jahren seinen Höhepunkt, um dann wieder abzusinken. Die Studie erscheint in der neusten Ausgabe des Journal of Personality and Social Psychology, das von der American Psychological Association herausgegeben wird.

Für ihre Studie führten die Forscher zwischen 1986 und 2002 vier Befragungen über das Selbstwertgefühl von Erwachsenen in den USA durch. Die 3617 Studienteilnehmer bewerteten, wie gut verschiedene Aussagen über das Selbstwertgefühl auf sie zutreffen. Zum Beispiel deutet „Ich habe eine positive Einstellung zu mir selbst“ auf ein hohes Selbstwertgefühl hin. Dagegen zeugen „Manchmal glaube ich, mir gelingt gar nichts“ und „Im Großen und Ganzen halte ich mit für einen Versager“ von einem niedrigen Selbstwertgefühl.

Die Studienteilnehmer wurden auch zu Themen wie ethnische Herkunft, Bildung, Einkommen, Berufstätigkeit, Zufriedenheit in ihrer Beziehung, Ehestand, Gesundheit, sozialer Rückhalt und belastende Ereignisse im Leben befragt. Beispiele für solche belastende Ereignisse sind plötzlicher Jobverlust, Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden, oder Tod eines Elternteils oder Kindes.

Im Durchschnitt hatten Frauen über die längste Zeit ihres Erwachsenenlebens ein niedrigeres Selbstwertgefühl als Männer. Aber als Männer und Frauen ihre achtziger und neunziger Lebensjahre erreichten, glich sich ihr Selbstwertgefühl an. Schwarze und weiße Erwachsene hatten in jungen und mittleren Lebensjahren ein ähnlich hohes Selbstwertgefühl. Doch in fortgeschrittenem Alter nahm das Selbstwertgefühl bei Schwarzen deutlich stärker ab als bei Weißen. Dieser Effekt blieb auch erhalten, wenn Unterschiede bei Einkommen und Gesundheit berücksichtigt wurden. Künftige Studien sollten diesen ethnischen Unterschieden weiter nachgehen, schreiben die Autoren, denn eine genauere Untersuchung könnte zu effektiveren Methoden führen, mit denen sich mangelndes Selbstwertgefühl bei Menschen behandeln lässt.

Bildung, Einkommen, Gesundheit und Berufstätigkeit beeinflussten alle die Entwicklung des Selbstwertgefühls, vor allem bei älteren Menschen. „Insbesondere stellten wir fest, dass Menschen mit höherem Einkommen und guter Gesundheit im Alter ihr Selbstwertgefühl besser bewahren“, sagt Orth. „Wir können nicht mit Sicherheit sagen, dass größerer Wohlstand und bessere Gesundheit ein hohes Selbstwertgefühl direkt verursachen, aber es scheint einen Zusammenhang zu geben. Zum Beispiel könnten größerer Wohlstand und bessere Gesundheit mit dem Gefühl einhergehen, unabhängiger zu sein und mehr zu Familie und Gesellschaft beitragen zu können, was dann das Selbstwertgefühl stärkt.“

Weiter zeigen die Ergebnisse, dass Menschen jeden Alters ein höheres Selbstwertgefühl haben, wenn sie in einer Beziehung leben, in der sie zufrieden sind, und die ihnen Rückhalt gibt. Aber das lebenslang höhere Selbstwertgefühl von Menschen in glücklichen Beziehungen nimmt in höherem Alter genauso ab wie bei Menschen in unglücklichen Beziehungen. „Obwohl sie mit einem höheren Selbstwertgefühl ins Alter kommen und es auch weiter behalten, nimmt es ab, wie bei Menschen in unglücklichen Beziehungen“, sagt der Mitautor Dr. Kali H. Trzesniewski von der University of Western Ontario in Kanada. „In einer glücklichen Beziehung zu leben, schützt Leute also nicht vor der Abnahme des Selbstwertgefühls, die für das hohe Alter typisch ist.“

Zahlreiche Theorien versuchen zu erklären, warum das Selbstwertgefühl von Menschen in mittleren Lebensjahren seinen Höhepunkt erreicht, um dann im Alter wieder abzufallen. „Die Lebensmitte ist eine Zeit der Stabilität im Beruf, in der Familie und in Liebesbeziehungen. In diesem Alter gelangen Menschen zu immer mehr Einfluss, ihr Status steigt, und damit ihr Selbstwertgefühl“, sagt der Mitautor Dr. Richard Robins von der University of California, Davis. „Dagegen durchleben ältere Menschen eine Veränderung ihrer Rollen, dass zum Beispiel die Kinder aus dem Haus gehen, die Pensionierung, die Erfahrung, dass ihre berufliche Qualifikationen überholt sind, und dazu die Verschlechterung ihrer Gesundheit.“

Orth glaubt nicht, dass sich bei den Menschen der geburtenstarken Jahrgänge, die nun das Rentenalter erreichen, etwas an dieser allgemeinen Entwicklung des Selbstwertgefühls ändern wird. Aber durch den medizinischen Fortschritt werden sie länger gesund bleiben und könnten deshalb länger arbeiten und Geld verdienen. „Es ist möglich, dass das Selbstwertgefühl bei Menschen dieser Generation erst später im Leben abnehmen wird“, sagt er.

Quellen:

American Psychological Association, 1.4.10

Orth et al. Journal of Personality and Social Psychology, April 2010

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Rubrik: Alter
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