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Helfen Spaziergänge gegen Depressionen?

26. Juli 2012

Lässt sich die Aufmerksamkeitsspanne durch Meditation steigernSpaziergänge dienen Menschen nicht nur zur Erholung, sie helfen bekanntlich auch beim Nachdenken. Goethe – „Ich ging im Walde so für mich hin, und nichts zu suchen, das war mein Sinn“ – ging oft spazieren, um sich inspirieren zu lassen. Eine aktuelle Studie hat die Wirkung von Spaziergängen auf die geistige Leistungsfähigkeit von Patienten mit Depressionen untersucht. Wir haben die Presseerklärung der Universität zu der Studie vom Mai übersetzt, die insbesondere den Einfluss der Umgebung untersuchte:

Spaziergänge durch den Park könnten eine Hilfe für Menschen sein, die unter Depressionen leiden. In einer der ersten Studien, in denen die Wirkung von Spaziergängen in der Natur auf die geistige Leistungsfähigkeit und Stimmung von Menschen mit klinischen Depressionen untersucht wurde, kamen Forscher aus Kanada und den USA zu vielversprechenden Ergebnissen: ein Spaziergang durch den Park könnte die geistige Leistungsfähigkeit von Menschen mit Depressionen steigern.

Der erste Autor der Studie Marc Berman, ein Postdoctoral Fellow am Rotman Research Institute in Baycrest, Toronto führte die Untersuchung gemeinsam mit Wissenschaftlern von der University of Michigan und der Stanford University durch. Die Studie wurde nun online im Journal of Affective Disorders veröffentlicht und wird später im Druck erscheinen.

„Unsere Studie zeigte, dass Teilnehmer mit klinischen Depressionen nach einem Spaziergang in der Natur ein besseres Gedächtnis hatten als nach einem Spaziergang durch ein hektisches Großstadtviertel“, sagt Dr. Berman, der aber auch zur Vorsicht mahnt. Solche Spaziergänge sollten kein Ersatz sein für existierende, gut untersuchte Behandlungen für klinische Depressionen wie Psychotherapie und medikamentöse Behandlungen.

„Spaziergänge in der Natur könnten die existierenden Behandlungen für klinische Depressionen ergänzen oder verstärken. Aber wir brauchen noch mehr Untersuchungen, um zu verstehen, wie effektiv Spaziergänge in der Natur psychologische Funktionen wirklich verbessern können“, sagt er. Dr. Berman forscht auf einem Gebiet der Kognitionswissenschaften, das als die Attention Restoration-Theorie (ART, Aufmerksamkeits-Erholungs-Theorie) bekannt geworden ist. Diese Theorie besagt, dass sich Menschen besser konzentrieren können, wenn sie eine Zeit lang in der Natur waren oder Bilder von der Natur betrachtet haben. Das liegt daran, sagt die ART, dass Menschen in einer friedlichen Naturlandschaft nicht mit den äußeren Ablenkungen bombardiert werden, die sonst unablässig unser Arbeitsgedächtnis und unsere Aufmerksamkeit strapazieren. In einer natürlichen Umgebung kann sich das Gehirn entspannen und in einen Zustand der Ruhe und Beschaulichkeit kommen, sodass die geistige Leistungsfähigkeit erfrischt oder regeneriert wird.

In einem Forschungsartikel, den er 2008 in Psychological Science veröffentlichte, zeigte Dr. Berman, dass die geistige Leistungsfähigkeit von Erwachsenen, die keinerlei Krankheiten hatten, nach einem einstündigen Spaziergang auf einem Waldweg zunahm. In Tests für Gedächtnis und Aufmerksamkeit stieg ihre Leistungsfähigkeit um 20 Prozent gegenüber Testpersonen, die eine Stunde durch den Lärm einer Großstadt spaziert waren. Von diesen Ergebnissen berichteten das Wall Street Journal, der Boston Globe, die New York Times und Nicholas Carr in seinem für den Putlizer-Preis nominierten Buch „The Shallows: What the internet is doing to our brains“ [Die Untiefen: Was das Internet mit unserem Gehirn macht; nur auf Englisch erschienen].

In dieser neusten Studie untersuchten Dr. Berman und sein Forschungsteam, ob sich ein Spaziergang in der Natur ähnlich positiv auf die geistige Leistungsfähigkeit und die Stimmung von Menschen mit klinischen Depressionen auswirken würde. Zu den charakteristischen Symptomen von Depressionen gehören Grübelei und negatives Denken. Daher waren die Forscher zu Beginn der Studie skeptisch, ob ein Spaziergang ganz allein durch den Park überhaupt positive Auswirkungen haben würde, oder ob womöglich das Gedächtnis dieser Patienten noch schlechter und ihre depressive Stimmung noch schlimmer würde.

An der Studie nahmen 20 Personen teil, die in der Ann Arbor-Gegend um die University of Michigan herum wohnten und alle eine Diagnose von klinischen Depressionen hatten. Die 12 Frauen und 8 Männer (Durchschnittsalter 26) nahmen an einem zweiphasigen Experiment teil, in dem sie einmal in einer ruhigen natürlichen Umgebung und ein andermal in einem lauten Stadtgebiet spazieren gingen. Vor den Spaziergängen wurde zunächst die geistige Leistungsfähigkeit und Stimmung der Patienten im Ausgangszustand getestet. Kurz vor dem Spaziergang sollten die Patienten über eine ungeklärte, schmerzhafte persönliche Erfahrung nachdenken. Dann wurde zufällig ausgewählt, wer eine Stunde lang durch das Ann Arbor Arboretum (ein Wald mit Gehwegen) spazieren gehen sollten oder mitten durch Ann Arbor, wo immer starker Straßenverkehr ist. Sie gingen eine vorgeschriebene Strecke entlang und trugen zur Kontrolle eine Armbanduhr mit Navi. Nach dem Spaziergang absolvierten sie eine Reihe von psychologischen Tests, um ihre Aufmerksamkeit und ihr Kurzzeit/Arbeitsgedächtnis zu messen und ihre Stimmung noch einmal zu testen. Eine Woche später wiederholten die Teilnehmer die ganze Prozedur und spazierten dann durch die Gegend, in der sie beim ersten Mal nicht gewesen waren.

Nachdem die Teilnehmer in der Natur spazieren gegangen waren, hatten sie in Tests für Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis Werte, die um 16 Prozent höher waren als nach einem Spaziergang durch die Stadt. Interessanterweise verbesserte die Interaktion mit der Natur die depressive Stimmung nicht mehr als ein Spaziergang in der Stadt. Nach beiden Arten von Spaziergang wurde die Stimmung besser, und zwar etwa gleich viel (was statistisch signifikant war). Dr. Berman meint, dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass getrennte Mechanismen im Gehirn für die Veränderungen der geistigen Leistungsfähigkeit und der Stimmung verantwortlich sind, die nach Interaktion mit der Natur beobachtet werden.

Quellen:

Berman et al. Journal of Affective Disorders, 2012

Baycrest News, 14. Mai 2012

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Rubrik: Depression, Leistungsfähigkeit
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1 Kommentieren

  1. Kevin Blumhagen
    November 20th, 2013

    Sehr guter Beitrag. Ich sehe das genauso wie ihr. Frische Luft, spazieren gehen und oder laufen sind super für den Kopf.
    Zu meiner depressiven Zeit habe ich dies meistens vernachlässigt, da ich die Öffentlichkeit gemieden habe.
    Zur Zeit meiner Genesung und auch heute gehe ich jeden Morgen oder Abend joggen und es ist einfach Urlaubs fürs Gehirn.
    Super Beitrag Danke dafür.

    Lieben Gruß Kevin Blumhagen

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