Hängt die Dauer einer Partnerschaft vom Diskussionsverhalten ab?
Partnerschaft und Bindung sind menschliche Grundbedürfnisse, die aber auch viel potenziellen Konfliktstoff in sich bergen. Eine neue Studie zeigt nun, wie man/frau sich richtig streitet, wenn es denn sein muss. Wir haben die Presseerklärung der Universität zu der Studie vom Oktober übersetzt. Das englische Original hat einen Link zu einem kurzen Psychotest, mit dem man seinen Kampfstil beim Ehestreit selbst testen kann:
Jeder kann sich denken, dass frisch Verheiratete, die sich anschreien oder beschimpfen, ein erhöhtes Scheidungsrisiko haben. Aber eine neue Studie von Forschern an der University of Michigan in den USA zeigt, dass auch andere Konfliktmuster eine Scheidung vorhersagen.
Ein besonders toxisches Muster ist, wenn ein Partner Konflikte konstruktiv angeht, indem er zum Beispiel versucht, die Angelegenheit in Ruhe durchzusprechen, sich den Standpunkt seines Partners anzuhören, oder bemüht ist, die Gefühle seines Partners zu verstehen – und der andere Partner zieht sich zurück.
„Dieses Muster scheint einen schädigenden Einfluss auf die Langlebigkeit einer Ehe zu haben“, sagt Kira Birditt, eine Forscherin an der University of Michigan und erste Autorin einer Studie über das Konfliktverhalten in der Ehe und seine Auswirkungen auf Scheidungsraten, die in der neusten Ausgabe (Oktober 2010) des Journals of Marriage and Family erscheint. „Ehepartner, die konstruktiv mit Konflikten umgehen, könnten die Angewohnheit ihres Partners sich zurückzuziehen als eine mangelnde Investition in die Partnerschaft verstehen und nicht als einen Versuch sich abzukühlen.“
Birditt stellte fest, dass Ehepaare, bei denen beide Partner konstruktive Strategien benutzten, niedrigere Scheidungsraten hatten.
Die Ergebnisse sind Teil der „Early Years of Marriage“-Studie, die ursprünglich junge Ehen untersuchte und vom National Institute of Aging und dem National Institute of Child Health and Human Development finanziert wird. Inzwischen ist sie eines der größten und längsten Forschungsprojekte, die Konfliktmuster in der Ehe untersucht haben. Für die Studie wurden über einen Zeitraum von sechzehn Jahren 373 Ehepaare befragt, jeweils viermal und angefangen vom ersten Jahr ihrer Ehe. Außerdem ist die Studie eine der wenigen, an der genügend schwarze Paare teilgenommen haben, sodass die Forscher Unterschiede zwischen den Rassen bei Konfliktstrategien und ihre Auswirkungen untersuchen konnten.
Die Forscher untersuchten, welchen Einfluss sowohl individuelle Verhaltensweisen als auch Verhaltensmuster der Partner im Umgang miteinander auf die Wahrscheinlichkeit einer Scheidung hatten. Außerdem untersuchten sie, ob sich das Verhalten im Laufe der Zeit änderte, und ob es bei den Verhaltensmustern Unterschiede zwischen Rassen oder Geschlechtern gab, die sich auf den Bestand der Ehe auswirkten.
Die Forscher machten die erstaunliche Feststellung, dass 29 Prozent der Ehemänner und 21 Prozent der Ehefrauen angaben, im ersten Jahr ihrer Ehe (1986) überhaupt keine Konflikte gehabt zu haben. Trotzdem waren bis 2002, dem sechzehnten Jahr der Studie, 46 Prozent der Paare geschieden. Ob Paare im ersten Ehejahr von Konflikten berichteten oder nicht, hatte aber interessanterweise keinen Einfluss darauf, ob sie bis zum letzten Jahr der Studie geschieden waren.
Insgesamt gaben Ehemänner an, häufiger konstruktive und seltener destruktive Verhaltensweisen zu benutzen als Ehefrauen. Aber im Laufe der Zeit benutzten Ehefrauen destruktive Strategien weniger und zogen sich auch seltener zurück, während sich die Häufigkeit dieser Verhaltensweisen bei Ehemännern während der Studiendauer nicht änderte.
„Die Probleme, die zu Beginn einer Ehe dazu führen, dass Ehefrauen sich zurückziehen oder destruktive Verhaltensweisen benutzen, könnten im Laufe der Zeit geklärt werden“, sagt Birditt. „Oder Beziehungen und ihre Qualität könnten im Leben von Frauen eine wichtigere Rolle spielen als im Leben von Männern. Deshalb könnten Frauen im Laufe einer Ehe häufiger erkennen, dass der Rückzug von einem Konflikt oder der Gebrauch destruktiver Strategien weder effektiv ist noch für das Gedeihen und die Stabilität ihrer Ehen insgesamt förderlich.“
Birditt und ihre Mitarbeiter stellten fest, dass sich schwarz-amerikanische Paare bei Konflikten eher zurückzogen als weiße Paare, obwohl sich schwarze Paare im Laufe der Zeit seltener von Konflikten zurückzogen.
„Wir hoffen, dass diese Studie zu weiteren Untersuchungen über die komplexe Dynamik von Konflikten zwischen Ehepartnern führen wird und zu möglichen Erklärungen für die zeitlichen Veränderungen und die Stabilität von Verhaltensweisen bei Konflikten“, sagt Birditt.
Quellen:
University of Michigan, 28. Sep 2010
Birditt et al. Journal of Marriage and Family, Okt 2010
Verwandte Artikel:
Beziehungsstreit: Lässt sich vorhersagen, wann die Wut verraucht ist?
Welche Rolle spielen Hormone beim Ehestreit?
Ist Paartherapie bei völlig verzweifelten Ehepaaren überhaupt noch sinnvoll?
Weitere Links:
Was ist unser Angebot für Paare?
Zur Praxis für Psychotherapie in München
Zur Praxis für Psychotherapie in Düsseldorf
Zur Praxis für Psychotherapie in Berlin-Charlottenburg
Zur Praxis für Psychotherapie in Frankfurt
Rubrik: Partnerschaft & Paartherapie
Tags: Aggression, Geschlechterunterschiede, Risikofaktor, Verhaltensforschung