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Welche Auswirkungen hat chronischer Stress auf das Erziehungsverhalten von Eltern?

17. Oktober 2011

Sind Mütter eher vor Suizid geschützt sKleine Kinder können einerseits furchtbar süß sein, andererseits aber auch sehr anstrengend. Eine aktuelle Studie hat untersucht, was passiert, wenn die normale Stressantwort von Müttern aus dem Gleichgewicht gerät. Wir haben die Presseerklärung der Universität zu der Studie von Anfang Oktober übersetzt, in der Forscher die Herzfrequenzen gestresster Mütter maßen:

Auch unter idealen Umständen kann es eine starke Belastung sein ein Kleinkind großzuziehen. Aber für Eltern, die auf Dauer unter Stress stehen, ist es oft eine besondere Herausforderung die Geduld, Sensibilität und Energie aufzubringen, die nötig sind, um sich gut um ein Kind zu kümmern.

Nun hilft eine Untersuchung von Forschern der University of Rochester in den USA zu erklären, warum chronischer Stress und Kindeserziehung so ein explosives Gemisch sind. Die Studie zeigt, dass anhaltende Belastungen wie Armut oder Depressionen die natürliche Stressantwort des Körpers stören, sodass Mütter bei der Erziehung zu einer Vielzahl von problematischen Verhaltensweisen neigen können, darunter Vernachlässigung, Ablehnung und mangelnde Sensibilität.

Stress kann einem Menschen unter die Haut gehen”, erklärt Melissa Sturge-Apple, Assistenzprofessorin für Psychologie an der University of Rochester und erste Autorin der Studie, die im Oktober in Development and Psychopathology erscheint. „Er verändert wirklich die Art und Weise, wie der Körper einer Mutter auf die normalen Anforderungen kleiner Kinder reagiert und diese Veränderungen machen es viel schwieriger sich gut um ein Kind zu kümmern.“

Die Auswirkungen von Stress bei Kindern sind gut dokumentiert und wurden bei Erwachsenen mit den verschiedensten Erkrankungen in Verbindung gebracht. Aber dies ist eine der ersten Studien, die gezielt den Zusammenhang von Stress und Kindeserziehung untersucht haben, schreiben die Autoren. Die Ergebnisse zeigen die zersetzenden Auswirkungen auf, die Armut und Depressionen auf die Physiologie eines Menschen haben, und helfen zu erklären, warum Menschen so fühlen und handeln, wie sie es tun, wenn sie anhaltendem psychischen und ökonomischen Druck ausgesetzt sind.

„Stress ist nicht nur im Kopf eines Menschen, er ist in seinem Körper”, sagt Sturge-Apple.

Dies ist auch die erste Studie, in der die physiologische Stressantwort in Echtzeit gemessen wurde, sagt Fred Rogosch, Forschungsdirektor am Mt. Hope Family Center der University of Rochester und Mitautor der Studie. Die Reaktionen der Teilnehmerinnen wurden mithilfe eines neuartigen drahtlosen EKG-Messgerätes aufgenommen, das die Ingenieure Zeljko Ignjatovic und Wendi Heinzelman an der University of Rochester für die Studie entwickelten. Der unauffällige kleine Apparat ermöglichte es dem Team winzige Veränderungen des Herzrhythmus der Teilnehmerinnen in Echtzeit zu analysieren. So hatten die Forscher eine Messmethode, die unabhängig von der Beobachtung der Verhaltensreaktionen der Mütter in der Studie war. Andere Methoden wie die Messung des Stresshormons Cortisol liefern Ergebnisse erst mit einer zwanzigminütigen Verzögerung und sind nicht annähernd so präzise, erklärt Rogosch.

Der neue Monitor könnte ein wichtiges Instrument werden, mit dem sich Stress außerhalb des Labors messen lässt, schreiben die Autoren. Sie meinen, man könnte ihn zum Beispiel in der Klinik als eine Art emotionalen Biofeedback-Monitor benutzen, sodass Therapeuten eine Möglichkeit haben quantitativ zu beurteilen, welche Behandlungen am effektivsten sind, um negative Emotionen abzubauen.

In der Studie beobachteten die Forscher 153 Mütter und ihre 17 bis 19 Monate alten Kinder in individuellen zweistündigen Sitzungen. Sie benutzten den drahtlosen EKG-Monitor, um die Stressantwort jeder Mutter während einer leicht belastenden Situation zu messen, in der sie ihr Kind für ein paar Minuten bei einem Fremden lassen musste. Später wurden die Mütter und Kinder auf Video aufgenommen, während sie zusammen frei spielten.

Die Studie zeigte, dass die Stressantwort von Müttern außer Balance geraten kann und dann entweder zu stark oder zu schwach reagiert. Die Forscher stellten fest, dass die Stressantwort bei Müttern überaktiv war, wenn sie starke Symptome von Depressionen hatten. Das Herzfrequenzmuster war bei diesen Müttern von Anfang an höher und stieg steil an, wenn ihr Kind zu schreien begann. Nachdem diese Mütter ihre Kinder wiederhatten, blieb ihr Herzfrequenzmuster weiter erhöht. Während sie mit ihrem Kind frei spielten, waren bei Müttern mit einer überaktiven Stressantwort deutliche Zeichen von Ablehnung gegenüber ihrem Kind sichtbar. Sie machten zum Beispiel abwertende Bemerkungen, hatten einen ärgerlichen Tonfall und fassten ihr Kind ruppig an.

Die meisten Leute meinen, dass jemand mit Depressionen lustlos und traurig ist. Aber Sturge-Apple weist darauf hin, dass die Studie etwas bestätigt, was Kliniker schon lange beobachtet haben: dass Depressionen bei Müttern manchmal mit einem harten, heftig reagierenden Erziehungsstil verbunden sind und nicht mit stillem vor sich hin Leiden der Mutter. Diese Studie hilft die biologischen Grundlagen dieses Verhaltens zu erklären. Die Stressantwort von Müttern, die unter Depressionen leiden, ist in hoher Alarmbereitschaft, reagiert überempfindlich auf soziale Stressfaktoren und kann sich nicht wieder beruhigen, erklärt Sturge-Apple.

Dagegen beobachteten sie eine „unteraktive“ Stressantwort bei Studienteilnehmerinnen, die in Armut lebten und in Gegenden mit einer hohen Kriminalitätsrate wohnten. Ihre Herzfrequenzmuster waren von Anfang an niedriger und stiegen nur wenig, wenn ihr Kind anfing zu schreien. Während sie mit ihrem Kind frei spielten, zeigten diese Eltern deutliche Anzeichen von Desinteresse, konnten andererseits aber auch bevormundend sein. Obwohl sie mit ihren Kindern spielen sollten, ignorierten diese Mütter ihre Kleinen häufig und reagierten nicht, wenn die Kinder ihre Aufmerksamkeit haben oder mit ihnen spielen wollten. Wenn sie sich aber doch mit ihren Kindern beschäftigten, waren Mütter mit einer unteraktiven Stressantwort übertrieben dominant.

Die Forscher argumentieren, die geschwächte physiologische Reaktion auf die Angst ihres Kindes sei die Folge von „zunehmendem Verschleiß … durch ein Leben in Armut und in einer gefährlichen Umwelt.“ Sturge-Apple kommt zu dem Schluss, dass die Stressantwort dieser Mütter angesichts der täglichen Bedrohungen und Sorgen einfach zum Erliegen kommt.

Quellen:

University of Rochester News, 5. Okt 2011

Sturge-Apple et al. Development & Psychopathology, Okt 2011

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Rubrik: Burnout/Stress, Depression, Kinder & Jugendliche
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