Sind Jungs besser in Mathe als Mädchen?
Eine aktuelle Untersuchung hat die Daten früherer Studien über die Mathekenntnisse von Schülern neu ausgewertet und zeigt, dass Mädchen Mathe genauso gut liegt wie Jungs. Allerdings glauben das Viele nicht. Auch Mädchen selber trauen sich in dem Fach weniger zu und geben sich weniger Mühe. Ich habe eine Pressemitteilung vom 5. Januar übersetzt, in der die Autorinnen fordern, Mädchen müssten mehr positive Rollenmodelle haben:
Mädchen sind in Mathe nicht schlechter als Jungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Analyse internationaler Forschungsstudien über Schüler aus allen Teilen der Welt. Allerdings trauen sich Jungen in Mathe mehr zu, und Mädchen aus Ländern mit einer stärkeren Gleichstellung der Geschlechter schneiden in Mathematiktests besser ab.
„Der Stereotyp von einer weiblichen Unterlegenheit in Mathematik steht eindeutig im Widerspruch zu den tatsächlichen wissenschaftlichen Daten”, sagt Dr. Nicole Else-Quest, die Assistant Professor für Psychologie an der Villanova University in den USA ist. Else-Quest ist die erste Autorin dieser sogenannten Metaanalyse, bei der die Ergebnisse früherer Forschungsuntersuchungen miteinander verglichen und gemeinsam statistisch neu ausgewertet werden. „Diese Ergebnisse zeigen, dass Mädchen genauso viel erreichen können wie die Jungen, wenn man ihnen eine angemessene Schulbildung bietet und sie weibliche Rollenmodelle vor Augen haben, die auf dem Gebiet der Mathematik Hervorragendes leisten.“
Die Ergebnisse wurden in der neusten Ausgabe des Psychological Bulletins veröffentlicht, das von der American Psychological Association herausgegeben wird. Die Beobachtung, dass sich Mädchen überall auf der Welt in Mathematik offenbar weniger zutrauen, könnte erklären, warum sie seltener als Jungen eine Karriere in Wissenschaft, Technik, Ingenieurwissenschaften und Mathematik anstreben.
Else-Quest und ihre Mitarbeiterinnen untersuchten die Daten zweier internationaler Studien, der Trends in International Mathematics and Science (TIMS)-Studie und des Programme for International Student Assessment (PISA), die in 69 Ländern an insgesamt 493 495 Schülern im Alter von vierzehn bis sechzehn Jahren gemacht wurden. Die Ergebnisse beider Untersuchungen wurden 2003 veröffentlicht, und nicht alle Länder nahmen an beiden Studien zur Einstufung von Schülern teil. Der Schwerpunkt der TIMS-Studie lag auf dem mathematischen Grundwissen, während die PISA-Studie die Fähigkeit von Schülern zur Anwendung ihrer Mathematikkenntnisse im täglichen Leben bewertete. Damit boten nach Meinung der Forscherinnen diese beiden Tests einen guten Überblick über die mathematischen Fähigkeiten von Schülern.
Obwohl die Untersuchungen unterschiedliche mathematische Fähigkeiten testeten, waren die Geschlechterunterschiede in beiden Studien im Durchschnitt gering. Aber das Ausmaß der Geschlechterunterschiede war von Land zu Land sehr verschieden.
Beide Studien werteten auch Unterschiede beim Selbstvertrauen der Schüler in ihre mathematischen Fähigkeiten aus und für wie wichtig sie eine gute Note in Mathematik hielten, um später im Beruf Erfolg zu haben. Trotz ihrer insgesamt ähnlich guten Mathematikkenntnisse trauten sich Jungen erheblich mehr zu als Mädchen und gaben sich in diesem Fach mehr Mühe.
Weiter untersuchten die Forscherinnen für jedes Land verschiedene Daten, die die Bildung von Frauen, ihre Beteiligung am politischen Leben sowie ihr allgemeines Wohlergehen und Einkommen widerspiegeln. Die einzelnen Länder unterschieden sich hinsichtlich der Geschlechterunterschiede bei den Mathematikkenntnissen und ihrem Verhältnis zum Status und Wohlstand von Frauen. Zum Beispiel waren in bestimmten Ländern mit einem höheren Frauenanteil in Forschungsberufen Mädchen besser in Mathe und trauten sich in diesem Fach mehr zu.
„Diese Metaanalyse zeigt, obwohl die Unterrichtsqualität und der Lehrplan den Lernerfolg von Kindern beeinflussen, wirkt sich auch der Stellenwert aus, den Schulen, Lehrer und Familien bei Mädchen auf gute Mathematikkenntnisse legen. Mädchen können wahrscheinlich genauso viel leisten wie Jungen, wenn man ihren Ehrgeiz in diesem Fach fördert“, sagt Else-Quest.
Quellen:
American Psychological Association, 5.1.10
Else-Quest et al. Psychological Bulletin, 2010
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Rubrik: Kinder & Jugendliche, Mensch & Gruppe
Tags: Berufserfolg Schule, Geschlechterunterschiede, Rollenmodell, Selbstvertrauen