Depressionen – Wie wirksam ist Verhaltenstherapie in Ergänzung zu Antidepressiva?
Oft sprechen Patienten mit Depressionen nicht auf das erste Medikament an, das der Arzt verordnet. Die Suche nach einem geeigneten Antidepressivum, meistens ein akzeptabler Kompromiss zwischen Wirksamkeit und Nebenwirkungen, kann dann langwierig sein. Eine aktuelle Studie hat eine Kombination aus Medikamenten und Verhaltenstherapie als Alternative untersucht. Wir haben einen Presseartikel zu der Studie von Anfang Dezember übersetzt, die zeigt, dass Verhaltenstherapie die Wirksamkeit von Medikamenten verstärken kann:
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Stimmung eines Patienten mit Depressionen durch eine Kombination von kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) und Antidepressiva verbessert, ist dreimal so hoch wie bei einer Therapie mit Antidepressiva allein. Diese Ergebnisse, die im Lancet vorab online publiziert wurden, sind ermutigende Nachrichten für die zwei Drittel der Patienten mit Depressionen, bei denen Antidepressiva allein zu keinerlei Besserung geführt haben.
Depressionspatienten, die auf eine gezielte Behandlung mit Medikamenten nicht ansprechen, neigen zu wiederholten Schüben von Depressionen. In einer früheren Studie aus dem Jahre 2008 haben holländische Wissenschaftler gezeigt, dass eine KVT-Behandlung bei Patienten mit wiederkehrenden Depressionen sehr effektiv ist.
Nicola Wiles, die Leiterin der neuen Studie von der University of Bristol in Großbritannien, sagt:
„Bis jetzt gab es nicht viele gesicherte Daten, die Ärzten helfen konnten zu entscheiden, welches die beste Weiterbehandlung für Patienten ist, deren Symptome nicht auf die Standardtherapien mit Medikamenten ansprechen.“
KVT ist eine Behandlungsmethode, bei der der Therapeut versucht das Muster von Gedanken und Verhaltensweisen des Patienten zu verändern. Dieser Behandlungsansatz beruht auf der Annahme, dass sich dadurch ihre Stimmung insgesamt verbessert und damit viele der Symptome der Depressionen.
Für die Studie beobachteten die Forscher 469 Erwachsene (im Alter von 18 bis 75 Jahren) aus 73 Hausarztpraxen, die sechs Wochen mit einem Antidepressivum behandelt worden waren, ohne dass es ihnen danach besser ging. Sie wurden in zwei verschiedene Gruppen aufgeteilt: eine Gruppe mit 235 Patienten wurde weiter mit Antidepressiva allein behandelt und die andere Gruppe mit 234 Patienten erhielt zusätzlich zu ihrer gewohnten Behandlung auch KVT. Alle Patienten wurden zwölf Monate lang beobachtet.
KVT war die beste Art der Behandlung
Die Ergebnisse zeigten, dass sich bei 46 Prozent der Teilnehmer, die KVT zusätzlich zu ihrer gewohnten Behandlung erhielten, die Symptome nach sechs Monaten verbessert hatten. Dagegen verbesserten sich die Symptome nur bei 22 Prozent der Patienten, die mit Antidepressiva allein behandelt wurden. Die Teilnehmer der KVT-Gruppe hatten weniger starke Angstsymptome und häufiger eine Remission, das heißt weniger und mildere Depressionssymptome als die Teilnehmer der anderen Gruppe. Eine Remission war in dieser Studie als eine Abnahme der Depressionssymptome um mindestens 50 Prozent definiert.
Depressionen sind weltweit der vierthäufigste Grund für Arbeitsunfähigkeit und eine der häufigsten psychiatrischen Erkrankungen. Nach Schätzungen der World Health Organization (WHO) leiden mehr als 350 Millionen Menschen auf der ganzen Welt unter Depressionen, und fast sieben Prozent aller Erwachsenen in den USA erkranken Jahr für Jahr an Depressionen. Forscher sagen voraus, dass Depressionen bis zum Jahr 2030 der häufigste Grund für Arbeitsunfähigkeit in Industrienationen sein werden.
Nicola Wiles fährt weiter:
„In vielen Ländern beschränkt sich das Angebot von KVT auf diejenigen, die es sich leisten können. Sogar in Großbritannien, wo beträchtliche Investitionen in psychologische Gesundheitsleistungen gemacht wurden, erhalten immer noch viele Menschen, die auf Antidepressiva nicht angesprochen haben, keine der intensiveren psychologischen Behandlungen wie KVT, die 12 bis 18 Sitzungen erfordern. In den USA hatte nur etwa ein Viertel aller Menschen mit Depressionen in den letzten zwölf Monaten irgendeine Form von psychologischer Therapie.“
Die britische Regierung hat vor Kurzem 500 Millionen Pfund Sterling für das Gesundheitsprogramm „Improving Access To Psychological Therapies (IAPT)“ ausgegeben, mit dem sie das Angebot von psychologischen Therapien verbessern will, und das nach Ansicht von Michael Otto von der Boston University und Stephen Wisniewski von der University of Pittsburgh sehr vielversprechend ist:
„(Diese Ergebnisse) bestätigen die schon vorher beeindruckenden Daten über die Wirksamkeit der KVT für andere Stadien der Behandlung… Wenn sich die weiter gefassten Ziele des IAPT-Programms verwirklichen lassen, könnte es anderen Nationen als Modell für die Behandlung von Depressionen dienen.“
Wie funktioniert kognitive Verhaltenstherapie (KVT)?
KVT ist eine Kurzzeitbehandlung und wird vor allem für spezifische psychische Probleme wie Panikattacken, Phobien, Ängste, Essstörungen und Depressionen benutzt.
Psychologen sagen, KVT sei eine Kombination von kognitiver Therapie und Verhaltenstherapie.
Kognitive Therapie – zielt auf unsere Gedanken, Auffassungen und Einstellungen ab.
Verhaltenstherapie – zielt auf unser Verhalten als Reaktion auf diese Gedanken ab.
Manche Menschen können sich im Laufe von vielen Jahren oder Jahrzehnten Denk- und Verhaltensweisen angewöhnt haben, die ihrer Gesundheit schaden. Bei der KVT verwendet der Therapeut eine Reihe von strukturierten Methoden, um zunächst Denkweisen zu identifizieren, die negative Gefühle und problematische Verhaltensweisen verursachen. Dann zeigt er dem Patienten, wie er diese Denkweisen verändern kann, sodass sein Verhalten positiver und seine Reaktionen angemessener werden.
Zum Beispiel:
Normalerweise stören negative Gedanken einen Menschen irgendwann, sodass er ärgerlich wird, was sich dann auf seine Stimmung und sein Verhalten auswirkt.
Wenn man diesen Gedanken nicht etwas Positives entgegenstellt, setzen sie eine negative Spirale in Gang, die die Wahrnehmung des Menschen verzerren kann.
Bei der KVT versucht der Therapeut den Patienten dahin zu bringen, dass er seine Meinungen über sich selbst und seine Fähigkeiten hinterfragt, sodass seine Sicht von Dingen oder Situationen realistischer wird.
Quellen:
Medical News Today, 9. Dez 2012
Wiles et al. The Lancet, Dez 2012
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Rubrik: Depression, Verhaltenstherapie
Tags: Antidepressiva, klinische Studie, Selbstbild, Therapieforschung
Frank Lavario
Dezember 31st, 2012
Schon bei der Überschrift bin ich hängengeblieben und habe ein wenig den Kopf geschüttelt. Es müsste doch wohl anders herum heissen: helfen Medikamente, wenn kognitive Verhaltenstherapie nicht hilft. Bevor ich Medikamente einsetze, sollte ich doch erst einmal leichtere Geschütze auffahren, das ist doch ein medizinischer Grundsatz.
admin
Dezember 31st, 2012
Völlig richtig, die Überschrift war in der Tat irreführend. Daher haben wir sie jetzt geändert. Danke.