Wie beeinflusst Stress unsere Entscheidungen?
Fehlentscheidungen können die verschiedensten Ursachen haben, aber eine der häufigsten ist wohl Stress, zum Beispiel weil Menschen sich nicht konzentrieren können oder zu sehr unter Zeitdruck stehen. Eine neue Studie hat einen anderen Aspekt untersucht – wie die Wahrnehmung gestresster Menschen zu ihren Entscheidungen beiträgt. Wir haben eine Presseerklärung des Herausgebers der Studie von Ende Februar übersetzt, die zeigt, dass Stress die Wahrnehmung eines Menschen verändert:
Sie versuchen eine wichtige Entscheidung zu treffen, während Sie sich außerdem noch auf eine nervenaufreibende Präsentation vorbereiten? Vielleicht sollten Sie damit lieber warten. Wenn Leute gestresst sind, wägen sie Risiken und Nutzen anders gegeneinander ab. Ein neuer Übersichtsartikel in Current Directions in Psychological Science, einem Journal der Association for Psychological Science, beschreibt, wie gestresste Menschen eher die positiven Seiten der möglichen Konsequenzen sehen als die negativen.
Es ist etwas überraschend, dass gestresste Menschen mehr auf die Dinge fokussiert sind, die gut gehen könnten, sagt Mara Mather von der University of Southern California, die den neuen Übersichtsartikel gemeinsam mit Nichole R. Lighthall schrieb. „Das ist etwas, worauf man eigentlich nicht sofort kommen würde“, sagt Mather. „Normalerweise ist Stress mit negativen Erfahrungen verbunden. Man sollte also meinen, dass Menschen vielleicht eher auf die negativen Folgen achten.”
Aber Forscher haben festgestellt, wenn man Leute unter Stress setzt – indem man sie zum Beispiel ihre Hand ein paar Minuten lang in Eiswasser stecken oder eine Rede halten lässt – fangen sie an mehr auf positive Informationen zu achten und die negativen zu ignorieren. „Scheinbar hilft Stress Menschen von positivem Feedback zu lernen und beeinträchtigt ihre Fähigkeit von negativem Feedback zu lernen”, sagt Mather.
Das heißt, wenn Leute gestresst sind und eine schwierige Entscheidungen zu treffen haben, achten sie vielleicht mehr auf das Positive der Alternativen, über die sie nachdenken, und weniger auf das Negative. So könnte jemand, der vor der Entscheidung steht, ob er einen neuen Job annimmt oder nicht, und gestresst ist, weil er sich entscheiden muss, die Gehaltserhöhung für wichtiger halten als den längeren Weg zur Arbeit.
Der stärkere Fokus auf das Positive erklärt auch die Rolle, die Stress beim Entstehen einer Sucht spielt, und warum Menschen, die gestresst sind, ihr Verlangen nach der Droge weniger gut kontrollieren können. „Der innere Drang an die Belohnung zu kommen wird stärker und sie können nicht so gut widerstehen“, sagt Mather. Ein Mensch, der unter Stress steht, könnte also nur an das gute Gefühl denken, das ihm die Droge verschafft, während die Nachteile unendlich weit weg erscheinen.
Stress vergrößert auch die Unterschiede, wie Männer und Frauen mit Risiken umgehen. Wenn Männer unter Stress stehen, sind sie noch eher bereit ein Risiko einzugehen. Aber wenn Frauen gestresst sind, gehen sie Risiken eher noch vorsichtiger an. Mather sieht hier Ähnlichkeiten zu anderen Untersuchungen, die gezeigt haben, dass Männer in brenzligen Situationen eher zu einer Kampf-oder-Flucht-Reaktion neigen, während Frauen versuchen Bindungen zu stärken und ihre Beziehungen zu verbessern.
„Wir treffen alle möglichen Entscheidungen unter Stress”, sagt Mather. „Wenn Ihr Kind einen Unfall hat und ins Krankenhaus kommt, ist das eine äußerst belastende Situation und Sie müssen schnelle Entscheidungen treffen.“ Und natürlich können große Entscheidungen selbst Stress verursachen und eine Situation noch schwieriger machen. „Wahrscheinlich hängt daher die Art und Weise, wie Sie eine Entscheidung fällen, davon ab, wie sehr Sie unter Stress stehen.“
Quellen:
Association for Psychological Science, 27. Feb 2012
Mather & Lighthall. Current Directions in Psychological Science, Feb 2012
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Rubrik: Burnout/Stress, Leistungsfähigkeit
Tags: Drogen, Geschlechterunterschiede, Verhaltensforschung, Wahrnehmung