Sind für ADHS Verbindungsfehler im Gehirn verantwortlich?
Eine aktuelle Studie amerikanischer Forscher zeigt zum ersten Mal, dass die Kommunikation zwischen bestimmten Gehirnregionen bei Kindern mit ADHS gestört ist. Ich habe eine Pressemitteilung der Universität vom 11. Januar übersetzt, in der die Wissenschaftler darauf hinweisen, dass sich elektrische Messungen wie ihre für eine verbesserte Diagnose und Erforschung der Störung eignen:
Wenn Kinder mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) Aufmerksamkeitstests machen, können zwei bestimmte Gehirnregionen keine normale Verbindung herstellen und miteinander kommunizieren. Das zeigt eine Studie von Forschern am Center for Mind and Brain und am M.I.N.D.-Institut der University of California-Davis.
„Damit haben wir zum ersten Mal einen direkten Beweis, dass diese Verbindung bei ADHS fehlt”, sagt Dr. Ali Mazaheri vom Center for Mind and Brain. Mazaheri und seine Kollegen machten die Entdeckung bei Untersuchungen über die Gehirnaktivität von Kindern mit ADHS. Der Artikel erscheint online in der neusten Ausgabe des Fachjournals Biological Psychiatry.
Die Forscher zeichneten den Rhythmus der elektrischen Aktivität des Gehirns von Kindern auf, insbesondere das Muster der sogenannten Alpha-Wellen, einer charakteristischen Art von elektrischen Spannungsschwankungen im EEG (Elektroenzephalogramm) des Gehirns. Wenn eine Gehirnregion Wellen mit einem Alpha-Rhythmus aussendet, ist sie nicht mit dem Rest des Gehirns verbunden und kann Informationen nicht optimal empfangen oder verarbeiten, sagt Mazaheri.
Für die Untersuchungen machten Kinder mit ADHS und normale Kinder einen einfachen Test für Aufmerksamkeit, während die Forscher ihre Gehirnwellen aufzeichneten. Den Kindern wurden rote oder blaue Bilder gezeigt beziehungsweise ein hoher oder tiefer Ton vorgespielt, und sie sollten darauf mit einem Knopfdruck reagieren. Direkt vor dem Bild oder Ton wurde ihnen entweder der Buchstabe „V” (visuell) gezeigt, um ein Testbild anzukündigen, oder ein umgedrehtes „V”, das den Buchstaben „A” (auditorisch) darstellte und einen Testton ankündigte.
Die Experimente wurden von Forschern aus den Labors von Ron Mangun, Professor für Psychologie und Neurologie, und Blythe Corbett, Associate Clinical Professor für Psychiatrie und Verhaltensforschung, sowie des M.I.N.D.-Instituts durchgeführt.
Nach den gängigen Vorstellungen, wie das Gehirn seine Aufmerksamkeit auf Etwas richtet, sollten Signale vom Stirnhirn – wie hier die Hinweise „V” und „A” – anderen Teilen des Gehirns wie der Region für die Verarbeitung visueller Information im Hinterkopf mitteilen, dass sie sich darauf vorbereiten, ihre Aufmerksamkeit auf Etwas zu richten. Das sollte sich in einer verminderten Aktivität von Alpha-Wellen in der Region für das Sehen ausdrücken, sagt Mazaheri.
Genau das beobachteten die Forscher auch bei den Gehirnwellen normaler Kinder. Dagegen war bei Kindern mit ADHS die Alpha-Aktivität nicht vermindert. Das zeigt, dass zwischen dem Gehirnzentrum, das die Befehle für Aufmerksamkeit verteilt, und den Regionen für die Verarbeitung visueller Informationen keine funktionelle Verbindung besteht, sagt Mazaheri.
„Das Gehirn von Kindern mit ADHS scheint sich auf die Aufmerksamkeit für bevorstehende Reize anders vorzubreiten als das von Kindern, die sich normal entwickeln”, meint er.
Kinder mit ADHS hatten nach den entsprechenden Hinweissignalen verbesserte Reaktionszeiten, aber sie scheinen von ihrer Fähigkeit zur Aufmerksamkeit weniger effizient Gebrauch zu machen, sagt Mazaheri.
Das ist der erste Nachweis für eine gestörte Verbindung zwischen Gehirnsystemen für die Aufmerksamkeit bei ADHS anhand von elektrischen Mustern der Gehirnaktivität, sagt er. Bis jetzt beruhte die Definition von ADHS allein auf dem Verhalten.
Der Ausgangspunkt für diese Studie war der Wunsch, Labor- und klinische Forschung miteinander zu verbinden, um neue Untersuchungsmethoden für ADHS zu entwickeln und die Erkrankung besser zu verstehen, sagt Corbett.
„Diese Kommunikation zwischen Klinikern und Forschern war ein klarer Erfolg”, meint sie.
Quellen:
University of California-Davis, 11.1.10
Mazaheri et al. Biological Psychiatry, Jan 2010
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Rubrik: ADHS, Hirnforschung, Kinder & Jugendliche
Tags: EEG, Neurophysiologie, Verhaltensforschung