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Schützt Zufriedenheit vor Herzerkrankungen?

21. Februar 2010

Schützt Zufriedenheit vor Herzerkrankungen sDer Zusammenhang zwischen Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist schon länger bekannt. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass eine „positive Persönlichkeit“ einen entgegengesetzten Effekt hat und vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützt. Ich habe eine Pressemitteilung des Herausgebers des Journals vom 18. Februar übersetzt, in der die Forscher praktische Tipps für den Alltag geben:

Menschen, die normalerweise glücklich, begeisterungsfähig und zufrieden sind, werden seltener herzkrank als Menschen, die eher nicht glücklich sind. Zu diesem Ergebnis kommt eine bedeutende neue Studie, die am 17. Februar veröffentlicht wurde.

Nach Meinung der Autoren zeigt die Studie, die im European Heart Journal, dem führenden europäischen Fachjournal für Kardiologie, veröffentlicht wurde, zum ersten Mal einen Zusammenhang zwischen positiven Emotionen und koronarer Herzkrankheit, der unabhängig von anderen Risikofaktoren ist.

Die erste Autorin der Studie Dr. Karina Davidson sagt, obwohl für die Untersuchung Menschen lediglich beobachtet wurden, deuten ihre Ergebnisse darauf hin, dass eine Verstärkung positiver Emotionen bei Menschen Herzerkrankungen verhindern könnte. Dennoch rät sie zur Vorsicht, denn es wäre verfrüht, schon jetzt klinische Empfehlungen abzugeben. Vorher müssten die Ergebnisse noch durch andere klinische Studien eingehender untersucht werden.

„Wir brauchen dringend exakte klinische Untersuchungen auf diesem Gebiet. Wenn solche Studien unsere Ergebnisse bestätigen, wären sie außerordentlich wichtig, um sagen zu können, was genau Ärzte und/oder Patienten zur Förderung der Gesundheit tun können“, sagt Dr. Davidson, die Herbert Irving Associate Professor of Medicine & Psychiatry und Direktorin des Centers for Behavioral Cardiovascular Health am Medical Center der Columbia University (New York, USA) ist.

Für ihre Studie beobachteten Dr. Davidson und ihre Mitarbeiter zehn Jahre lang 1739 gesunde Erwachsene (862 Männer und 877 Frauen), die seit 1995 an der Nova Scotia-Gesundheitsstudie teilnehmen. Zu Beginn der Studie werteten dafür geschulte Krankenschwestern das Risiko der Studienteilnehmer für Herzerkrankungen aus. Dazu gehörten Selbstauskünfte und eine Gesundheitsuntersuchung, die eine Quantifizierung von Symptomen für Depressionen, Feindseligkeit und Ängste erlaubten. Ferner wurde der Wert des sogenannten positiven Affekts bestimmt, der misst, wie stark ein Mensch positive Emotionen zum Ausdruck bringt.

Der positive Affekt ist definiert als das Erleben angenehmer Emotionen wie Freude, Glück, Aufregung, Begeisterung und Zufriedenheit. Diese Gefühle können vorübergehend sein, aber normalerweise sind sie stabil und charakteristisch für die Persönlichkeit eines Menschen, besonders bei Erwachsenen. Der positive Affekt ist weitgehend unabhängig vom negativen Affekt, sodass ein Mensch, der im Allgemeinen glücklich und zufrieden ist, bisweilen auch ängstlich, wütend oder niedergeschlagen sein kann.

Nach Korrektur der Daten für den Einfluss von Alter, Geschlecht, Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und negativen Emotionen stellten die Forscher fest, dass über den zehnjährigen Beobachtungszeitraum ein erhöhter positiver Affekt ein um 22 Prozent pro Punkt geringeres Risiko für Herzkrankheiten vorhersagte (auf einer Skala von 5 Punkten, die den Ausdruck von positivem Affekt von „kein“ bis „extrem“ misst).

Dabei bedeutet nach Dr. Davidson „22 Prozent pro Punkt“, dass Teilnehmer mit gar keinem positiven Affekt ein 22 Prozent höheres Risiko für ischämische Herzerkrankungen (Herzinfarkt oder Angina) hatten als Teilnehmer mit einem geringen positiven Affekt, die wiederum ein 22 Prozent höheres Risiko hatten als Leute mit mäßigem positiven Affekt.

„Außerdem stellten wir fest, wenn ein normalerweise positiver Mensch zur Zeit der Befragung ein paar depressive Symptome hatte, wirkte sich das nicht auf sein insgesamt geringeres Risiko für Herzerkrankungen aus.“

„Soweit wir wissen, ist dies die erste prospektive Studie, die den Zusammenhang zwischen einem klinisch ausgewerteten positiven Affekt und Herzerkrankungen untersucht hat“.

Die Forscher spekulieren über die möglichen Mechanismen und wie positive Emotionen für einen lang anhaltenden Schutz gegen Herzerkrankungen verantwortlich sein könnten. Dazu gehören ein Einfluss auf die Herzfrequenz, Schlafmuster und den Erfolg, mit dem Rauchen aufzugeben.

„Es gibt mehrere mögliche Erklärungen“, sagt Dr. Davidson. „Erstens könnten Menschen mit mehr positivem Affekt aus physiologischen Gründen längere Ruhe- oder Entspannungspausen haben. Die Regulation des Blutdrucks und der körperlichen Entspannung allgemein könnte bei diesen Menschen besser funktionieren als bei Leuten mit weniger positivem Affekt. Zweitens könnten sich Leute mit mehr positivem Affekt schneller von belastenden Einflüssen erholen und sich nicht so lange mit ihnen „innerlich beschäftigen“ müssen, was wiederum physiologische Schäden zu verursachen scheint. Dies sind aber Spekulationen, weil wir gerade erst anfangen zu untersuchen, warum positive Emotionen und Glück positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben.“

Sie sagt, dass zu den meisten Behandlungsmethoden gegen Depressionen eine Stärkung des positiven und eine Verminderung des negativen Affekts gehört. Wenn weitere klinische Untersuchungen die Ergebnisse dieser Studie bestätigen, sollte es relativ einfach sein, den positiven Affekt bei Patienten zu bestimmen und sich Schritte zu überlegen, die ihn verstärken und späteren Herzerkrankungen vorbeugen. Bis dahin können Leute, die über diese Studie lesen, selbst ein paar einfache Maßnahmen ergreifen, um ihren positiven Affekt zu stärken.

„Genauso wie bei der Beobachtung, dass mäßiger Weingenuss gesund (und angenehm) ist, kann auch jetzt jeder dafür sorgen, dass er in seinem Alltag ein paar Aktivitäten hat, die ihm Spaß machen“, meint sie. „Manche Leute warten, bis sie zwei Wochen Urlaub haben, um sich zu amüsieren. Das ist so ähnlich wie ein Trinkgelage am Wochenende (man braucht Maßhalten und Beständigkeit im Leben, nicht Entbehrung und Exzess). Wenn Sie gerne Novellen lesen, aber nie die Zeit dazu finden, reservieren Sie sich eine Viertelstunde zum Lesen. Wenn Sie spazieren gehen oder Musik hören aufmuntert, planen Sie es in Ihrem Tag ein. Im Grunde kann es nur gut für Ihr seelisches Wohl sein, wenn Sie sich jeden Tag ein paar Minuten lang mit etwas beschäftigen, dass Sie wirklich entspannt und Ihnen Spaß macht, und das könnte auch gut für Ihre körperliche Gesundheit sein (obwohl das erst noch bestätigt werden muss).“

In der gleichen Ausgabe des European Heart Journal erscheint ein Leitartikel von Bertram Pitt, Professor für innere Medizin und Patricia Deldin, Associate Professor für Psychologie und Psychiatrie, beide von der School of Medicine der University of Michigan in den USA. Darin weisen die Autoren darauf hin, dass im Moment niemand weiß, ob positiver Affekt eine direkte oder indirekte Rolle für die Ursachen von Herzerkrankungen spielt, oder ob noch ein dritter, beiden gemeinsamer zugrunde liegender Faktor beteiligt ist. Außerdem wüsste niemand genau, ob man positiven Affekt verändern oder verstärken kann und bis zu welchem Grad.

„Inzwischen werden groß angelegte, kontrollierte klinische Untersuchungen durchgeführt, die Methoden zur Verstärkung des positiven Affekts bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen testen“, schreiben sie und fahren fort: „Diese Studien werden es erlauben, die Wirkung eines verstärkten positiven Affekts auf den Verlauf von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auszuwerten und einen Einblick in die Natur des Zusammenhangs zwischen positivem Affekt und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bieten.“

„Der Teufelskreis aus Herz-Kreislauf-Erkrankungen und klinischen Depressionen verdient mehr Beachtung sowohl in der Herz-Kreislauf- als auch in der psychiatrischen Forschung“, schreiben die Autoren. „Diese neuen Behandlungsmethoden (zur Verstärkung des positiven Affekts) könnten ein vielversprechender Ansatz für eine Therapie von Herz-Kreislauf-Patienten werden, die an Depressionen erkranken. Die Beobachtungen und Hypothesen von Davidson et al. könnten einen Anreiz für weitere Studien über die Wirkung eines verstärkten positiven Affekts auf physiologische Anomalien und das damit verbundene Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bieten. Dann hätten wir vielleicht alle einen Grund zur Freude.“

Quellen:

European Society of Cardiology, 18. Feb 2010

Davidson et al. European Heart Journal, Feb 2010

Pitt & Deldin. European Heart Journal, Feb 2010

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Rubrik: Burnout/Stress, Depression, Glücksforschung, Psychosomatik & Schmerzen
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