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Nimmt die emotionale Intelligenz mit dem Alter zu?

30. Januar 2011

Nimmt die emotionale Intelligenz mit dem Alter zuIm Alter sind Menschen mehr und mehr auf die Hilfe anderer angewiesen. Eine aktuelle Studie hat untersucht, wie Menschen verschiedenen Alters mit Emotionen umgehen, und zeigt, dass ältere Menschen manche Gefühle weniger stark kontrollieren, das aber durch ihre Lebenserfahrung ausgleichen können. Wir haben die Presseerklärung der Universität zu der Studie vom Dezember übersetzt, die auf die Vorteile hinweist, die ältere Menschen durch ihren reiferen Umgang mit Emotionen haben:

Psychologen haben festgestellt, dass ältere Menschen Schwierigkeiten haben ihre Gefühle zu kontrollieren, besonders wenn sie Szenen aus Filmen und Reality-Shows sehen, die herzzerreißend oder abstoßend sind. Aber sie sind jüngeren Menschen überlegen, wenn es darum geht, in einer schwierigen Lage etwas Positives zu sehen oder sich in jemanden hineinzuversetzen, der Mitleid verdient. Das zeigen Forschungsuntersuchungen von Wissenschaftlern der University of California, Berkeley.

Ein Team von Forschern der UC Berkeley unter Leitung des Psychologen Robert Levenson untersucht, wie sich unsere emotionalen Strategien und Reaktionen verändern, wenn wir älter werden. Ihre Ergebnisse – die dieses Jahr in Peer-Review-Journalen erschienen sind – sprechen für eine Theorie, nach der sich die emotionale Intelligenz und kognitiven Fähigkeiten noch verbessern, wenn wir in unsere sechziger Lebensjahre kommen, was älteren Menschen auf der Arbeit und in persönlichen Beziehungen Vorteile verschafft.

„Es sieht mehr und mehr danach aus, als ob sich der Lebensinhalt bei älteren Menschen eher um soziale Beziehungen dreht und darum, sich um andere zu kümmern und selbst versorgt zu werden“, sagt Levenson. „Die Evolution scheint unser Nervensystem so abgestimmt zu haben, dass es für diese Art von zwischenmenschlichem und mitfühlendem Verhalten optimal ist, wenn wir ins Alter kommen.“

In der ersten Studie untersuchten die Forscher, wie 144 gesunde Erwachsene in ihren Zwanzigern, Vierzigern und Sechzigern auf neutrale, traurige und abstoßende Filmausschnitte reagierten. Insbesondere wollten Sie testen, wie die Teilnehmer von Techniken Gebrauch machen, die als „distanzierte Wiederbewertung“, „positive Wiederbewertung“ und „Verhaltensunterdrückung“ bezeichnet werden. Die erste Autorin der Studie Michelle Shiota ist jetzt Assistenzprofessorin für Psychologie an der Arizona State University. Die Ergebnisse wurden in dem Journal Psychology and Aging veröffentlicht.

Die Forscher maßen den Blutdruck, die Herzfrequenz, Hautfeuchtigkeit und Atmungsmuster der Teilnehmer, während sie eine Szene aus dem Film „21 Gramm“ sahen, in der eine Mutter erfährt, dass ihre Töchter bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. In einer anderen Szene aus „Der Champ“ sieht ein Junge mit an, wie sein Mentor nach einem Boxkampf stirbt. Außerdem sahen sie abstoßende Szenen aus der Fernsehsendung „Fear Factor.“

Für die distanzierte Wiederbewertung der Szenen sollten die Teilnehmer eine objektive, nüchterne Haltung einnehmen. Für die positive Wiederbewertung sollten sie sich auf die positiven Aspekte dessen konzentrieren, was sie sahen. Und für die Verhaltensunterdrückung sollten sie überhaupt keine Emotionen zeigen.

Die Ergebnisse zeigten, dass ältere Menschen am besten waren, wenn sie die negativen Szenen durch positive Wiederbewertung in einem positiven Licht uminterpretieren sollten. Dieser Bewältigungsmechanismus profitiert am meisten von der Lebenserfahrung und dem, was ein Mensch gelernt hat.

Dagegen waren die Studienteilnehmer jüngeren und mittleren Alters besser, wenn sie die „distanzierte Wiederbewertung“ benutzen, um abzuschalten und ihre Aufmerksamkeit von den unangenehmen Filmszenen wegzulenken. Diese Strategie nutzt insbesondere die „Exekutivfunktion“ des Stirnhirns, einen Mechanismus, der für Gedächtnis, Planung und Impulskontrolle zuständig ist und mit dem Alter schwächer wird.

Durch Verhaltensunterdrückung konnten Menschen aller drei Altersgruppen ihre emotionalen Reaktionen gleich gut kontrollieren. „Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass Verhaltensunterdrückung keine sehr gesunde Art ist, um Emotionen zu kontrollieren“, sagt Levenson.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass „es für ältere Menschen besser sein könnte, sich weiter am sozialen Leben zu beteiligen, indem sie positive Wiederbewertung benutzen, um mit belastenden und herausfordernden Situationen umzugehen, als sich aus Situationen zurückzuziehen, die ihnen die Möglichkeit bieten, ihre Lebensqualität zu erhöhen.“

In einer anderen Studie, die in der Juliausgabe des Journals Social Cognitive and Affective Neuroscience erschien, benutzten die Forscher ähnliche Methoden, um zu testen, ob das Alter einen Einfluss darauf hat, wie Menschen auf traurige Filmszenen reagieren.

Für diese Experimente wurden 222 gesunde Erwachsene in ihren Zwanzigern, Vierzigern und Sechzigern an die physiologischen Messapparate angeschlossen, während sie sich die gleichen Filmausschnitte aus „21 Gramm“ und „Der Champ“ anschauten. Die älteren Teilnehmer reagierten auf die gefühlsgeladenen Szenen stärker mit Traurigkeit als die jüngeren.

„In höherem Alter entwickeln Menschen oft andere Sichtweisen und verfolgen Ziele, bei denen es mehr auf enge zwischenmenschliche Beziehungen ankommt“, sagt der Psychologe Benjamin Seider von der UC Berkeley, der erste Autor der Studie. „Dadurch reagieren sie eher mit Traurigkeit, denn die gemeinsame Erfahrung von Traurigkeit lässt zwischenmenschliche Beziehungen enger werden.“

Entgegen landläufiger Meinung bedeutet eine stärkere Neigung zu Traurigkeit hier keineswegs ein erhöhtes Risiko für Depressionen, denn in dieser Studie war Traurigkeit eine gesunde Reaktion, erklärt Levenson.

„Traurigkeit kann in höherem Alter eine ausgesprochen sinnvolle und hilfreiche Emotion sein, denn wir werden unausweichlich mit Verlusten konfrontiert, die wir im Leben erfahren, und mit denen wir selbst umgehen müssen und andere trösten“, sagt Levenson.

Quellen:

University of California – Berkeley, 16.12.10

Shiota & Levenson. Psychology and Aging, Dez 2009

Seider et al. Social Cognitive and Affective Neuroscience, Juli 2010

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Rubrik: Alter, Mensch & Gruppe
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