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Können Mädchen schlechter rechnen als Jungs?

13. November 2010

Können Mädchen schlechter rechnen als JungsDie lang anhaltende Debatte, ob es Geschlechterunterschiede bei bestimmten Aspekten der Intelligenz gibt, zeigt bereits, dass sie sehr gering sein müssen, wenn sie überhaupt existieren. Eine aktuelle Studie veranschaulicht das anhand der bisherigen Forschung zur mathematischen Begabung der Geschlechter und diskutiert mögliche Gründe für die Zählebigkeit von Vorurteilen. Wir haben die Presseerklärung der Universität zu der Studie vom Oktober übersetzt, die Eltern und Lehrer zum Umdenken aufruft:

Jungen und Mädchen haben, genauso wie Männer und Frauen, im Wesentlichen die gleichen mathematischen Fähigkeiten. Das geht aus einer neuen Untersuchung früherer Studien hervor, die in der aktuellen Onlineausgabe des Psychological Bulletins erscheint.

Ein Teil der neuen Studie war die systematische Analyse von 242 Artikeln, in denen die mathematischen Fähigkeiten von insgesamt 1 286 350 Menschen untersucht worden waren, sagt die Hauptautorin Janet Hyde, Professorin für Psychologie und Frauenstudien an der University of Wisconsin-Madison in den USA.

Diese Studien waren alle zwischen 1990 und 2007 auf Englisch veröffentlicht worden und untersuchten Menschen verschiedenen Alters, von der Grund- bis zur Oberschule und darüber hinaus. Der zweite Teil der neuen Studie untersuchte die Ergebnisse von mehreren großen wissenschaftlichen Langzeitstudien einschließlich dem National Assessment of Educational Progress (ähnlich der PISA-Studie, aber detaillierter und nur für die USA).

In beiden Fällen, sagt Hyde, waren die Unterschiede zwischen den Geschlechtern so gering, dass sie nahezu bedeutungslos waren.

Dr. Sara Lindberg, die inzwischen Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Frauengesundheit an der School of Medicine and Public Health der University of Wisconsin-Madison ist, war die primäre Autorin der Metaanalyse im Psychological Bulletin.

Darüber, dass beide Geschlechter gleiche mathematische Fähigkeiten haben, sind sich die allermeisten Sozialwissenschaftler einig, sagt Hyde, aber diese Erkenntnis dringt nur langsam zu Lehrern und Eltern durch, die eine negative Rolle spielen können, wenn sie Mädchen an natur- und ingenieurswissenschaftlichen Fächern mit viel Mathematik vorbeilotsen. „Ein Grund, warum ich mich immer noch mit diesem Thema beschäftige, ist das weiter bestehende Vorurteil von Eltern und Lehrern, dass Jungen in Mathematik besser sind. Das kann einen enormen Einfluss auf einzelne Mädchen haben, denen suggeriert wird, sie sollten sich von Ingenieurswissenschaften oder Physik fernhalten, weil ,Mädchen kein Mathe können’“.

Forscher wissen, dass Stereotypen die Leistung beeinträchtigen, sagt Hyde. „Viele Daten zeigen, dass der sogenannte ,Stereotype Threat’ [Bedrohung durch Stereotype] Frauen bei Mathematikaufgaben hemmen kann. Wenn man vor einem Test andeutet, dass die Frauen erwarten sollten, etwas schlechter als die Männer abzuschneiden, sinkt ihre Leistung. Es ist eine selbsterfüllende Prophezeiung.“

„Eltern und Lehrer senden unterschwellige Botschaften aus, welche Leistungen sie von jungen Menschen in welchen Fächern erwarten“, sagt Hyde, „und das hat einen ernormen Einfluss auf ihre eigene Meinung von ihren Fähigkeiten. Wenn sich jemand entscheidet, ob er Physik als Hauptfach studiert, kann das zu einem äußerst wichtigen Faktor werden.“

Hyde hofft, dass die neuen Ergebnisse helfen werden, den Trend zu getrennten Jungs- und Mädchenschulen zu verlangsamen, die bisweilen mit unterschiedlichen mathematischen Fähigkeiten gerechtfertigt werden. Sie könnten sich auch auf die standardisierten Tests auswirken, deren Bedeutung seit der Verabschiedung von „No Child Left Behind“ (ein amerikanisches Bildungsgesetz) zugenommen hat, und die ihren Schwerpunkt auf einem eher niedrigen Niveau mathematischer Fähigkeiten wie Multiplikation haben, sagt Hyde. „Zu anspruchsvollen Tests sollte wirklich auch die Lösung schwieriger mathematischer Aufgaben gehören, was für die meisten Berufe, die mathematische Fähigkeiten erfordern, wichtiger ist. Aber weil viele Lehrer ihren Unterricht auf die Tests auslegen, werden sie anspruchsvolles logisches Denken nicht unterrichten, bis es auch in den Tests gefordert wird.“

Die neuen Ergebnisse bestätigen eine Studie, in der vor Kurzem das Geschlecht an allerletzter Stelle in der Rangfolge von neun Faktoren kam, die einen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit von Zehnjährigen in Mathematik haben. Darunter waren die Bildung der Eltern, das Familieneinkommen und die Effektivität des Unterrichts.

Hyde ist sich der bedeutenden Fortschritte bewusst, die Frauen auf technischen Gebieten gemacht haben. Die Hälfte aller Medizinstudenten ist weiblich, genauso wie 48 Prozent der Studenten mit Mathematik als Hauptfach. „Wenn Frauen in Mathematik nicht gut sein können, wie bestehen sie dann diese Prüfungen?“, fragt sie.

Weil Fortschritt in der Physik und in den Ingenieurswissenschaften viel langsamer ist, „haben wir noch eine Menge Arbeit vor uns“, sagt Hyde. „Diese hartnäckigen Vorurteile benachteiligen Mädchen. Meine Botschaft an Eltern lautet, mehr Vertrauen in die Leistungen ihrer Tochter in Mathematik zu haben. Sie müssen sich darüber klar werden, dass Frauen in Mathematik genauso gut sein können wie Männer. Diese Veränderungen werden Frauen ermutigen, Karrieren zu verfolgen, für die viel Mathematik nötig ist.“

Quellen:

University of Wisconsin-Madison, 11.10.10

Else-Quest et al. Psychological Bulletin, 2010

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Rubrik: Kinder & Jugendliche, Leistungsfähigkeit, Mensch & Gruppe
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