Ein Ziel von Psychotherapie bei Depressionen: Den positiven Moment verlängern?
Eine aktuelle Studie hat die Freudlosigkeit bei Menschen mit Depression und ihre neurophysiologischen Grundlagen untersucht. Die Ergebnisse deuten auf eine gestörte Regulation des Empfindens von Freude und nicht ihr Fehlen hin. Ich habe eine Pressemitteilung der Universität vom 28.12.09 übersetzt, in der die Autoren meinen, neue Therapieformen könnten auf diese Fehlregulation der neuralen Mechanismen abzielen:
Eine neue Studie an der University of Wisconsin-Madison in den USA zeigt, dass Patienten mit Depression die Aktivität in Gehirnregionen, die mit positiven Emotionen zusammenhängen, nicht aufrechterhalten können.
Damit widerspricht die Studie der bisher verbreiteten Auffassung, dass Menschen mit Depression eine generell verminderte Aktivität in Gehirnregionen haben, die mit positiven Emotionen assoziiert sind. Stattdessen zeigen die neuen Ergebnisse, dass die Aktivität zunächst ein ähnliches Niveau erreicht, dann aber nicht sehr lange aufrechterhalten werden kann. Die Forschungsergebnisse wurden Ende Dezember 2009 in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.
„Anhedonie, d.h. sich über Etwas nicht freuen können, was Menschen normalerweise als schön empfinden, ist eines der Hauptsymptome von Depression”, erläutert Aaron Heller, der erste Autor der Studie und Doktorand an der UW-Madison. „Die meisten Wissenschaftler dachten bis jetzt, dass Anhedonie mit einer allgemein verminderten Aktivität in den Gehirnregionen zusammenhängt, die für positive Emotionen und Belohnung wichtig zu sein scheinen. Tatsächlich fanden wir aber bei Patienten mit Depression in der Anfangphase der Experimente ein normales Aktivitätsniveau. Gegen Ende der Experimente fiel das Aktivitätsniveau jedoch sehr stark ab.“
„Nach ihren eigenen Angaben hatten die depressiven Testpersonen, die ihre Aktivität in den mit positiven Emotionen und Belohnung assoziierten Gehirnregionen besser aufrechterhalten konnten, auch ein höheres Niveau von positiven Emotionen im Alltag“, fährt Heller fort.
„Die Fähigkeit, positive Gefühlserfahrungen aufrechtzuerhalten oder sogar zu verstärken, trägt entscheidend zur Gesundheit und zum Wohlbefinden von Menschen bei“, bemerkt Richard Davidson, der Leiter der Studie. Davidson ist Professor für Psychologie und Psychiatrie an der UW-Madison und Direktor des Centers for Investigating Healthy Minds sowie des Waisman Laboratory for Brain Imaging and Behavior der Universität. „Diese Ergebnisse könnten zu Therapieformen führen, die Menschen mit Depression helfen, positive Emotionen im Alltagsleben besser aufrechtzuerhalten.“
Für ihre Studie zeigten die Forscher 27 Patienten mit Depression und 19 gesunden Kontrollpersonen Fotos, die bei ihnen positive bzw. negative emotionale Reaktionen auslösen sollten. Während sie diese Bilder betrachteten, versuchten die Versuchsteilnehmer, ihre Gefühlsantwort auf die Fotos zu verstärken, zu dämpfen oder aufrechtzuerhalten. Sie stellten sich vor, selbst in der jeweils dargestellten Situation zu sein, während Heller und seine Mitarbeiter die Aktivität in den für die Wissenschaftler interessanten Gehirnregionen maßen.
Für die Messung verwendeten die Forscher die Methode des funktionellen magnetischen Resonanzimaging (fMRT), bei der sich die Testperson in einem magnetischen Feld befindet und aktive Gehirnbereiche anhand des dort erhöhten Blutflusses auf Bildaufnahmen sichtbar gemacht werden. So konnten sie untersuchen, wie gut die Testpersonen beim Betrachten der „positiven Bilder” die Aktivierung des Belohnungszentrums des Gehirns für längere Zeit aufrechterhalten konnten.
Quellen:
University of Wisconsin-Madison, 28.12.09
Heller et al. Proceedings of the National Academy of Sciences, 2009
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Rubrik: Depression, Hirnforschung
Tags: fMRT, Gehirnaktivität, klinische Studie, Neurophysiologie
jaqueline
Januar 4th, 2010
Interessante Studie. Danke für das Posting!