Haben Menschen mit Depressionen ein erhöhtes Herzinfarktrisiko?
Patienten mit Depressionen haben eine deutlich verkürzte Lebenserwartung, weil sie meistens auch unter körperlichen Begleiterkrankungen leiden. Wie es zu diesen Assoziationen kommt, ist unklar. Eine neue Studie kanadischer Forscher hat den Zusammenhang mit Herzerkrankungen genauer untersucht. Wir haben einen Presseartikel über die Studie von Ende November übersetzt, die zeigt, dass Depressionspatienten nicht normal auf Stress reagieren:
Eine neue Untersuchung zeigt, dass Depressionen noch mehr schädliche Folgen für die Gesundheit haben könnten als bisher angenommen wurde. Patienten mit der Stimmungsstörung könnten ein doppelt so hohes Herzinfarktrisiko haben wie Menschen ohne Depressionen.
Wie Depressionen und Herzinfarkt genau zusammenhängen, ist aber bis heute nicht geklärt. Eine neue Untersuchung von Wissenschaftlern der Concordia University in Kanada zeigt nun, dass es bei Depressionspatienten länger als bei gesunden Menschen dauert, bis sich ihr Herz nach körperlicher Anstrengung erholt. Die Studie wurde in dem Journal Psychophysiology veröffentlicht.
Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Depressionspatienten eine gestörte biologische Stressantwort haben. Daher warnen die Autoren, dass es lebenswichtig ist Menschen mit klinischen Depressionen auf Herz-Kreislauferkrankungen zu testen.
Die erste Autorin Jennifer Gordon, eine Doktorandin an der McGill University in Montréal, erklärt:
„Es gibt zwei konkurrierende Theorien für den Zusammenhang zwischen Depressionen und Herz-Kreislauferkrankungen. Menschen mit Depressionen könnten sich weniger gesundheitsbewusst verhalten, was dann zu Herzproblemen führen könnte.
Die andere Möglichkeit ist ein physiologischer Mechanismus: ein Problem mit der Antwort auf Stress, die auch die „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion genannt wird. Unsere Studie hat als erste die Rolle einer gestörten Kampf-oder-Flucht-Reaktion bei einer größeren Anzahl von Menschen untersucht.“
Die Studie wurde gemeinsam von Wissenschaftlern der Concordia University, dem Montreal Heart Institute, der McGill University, dem Hôpital Sacré-Coeur de Montréal, der Université du Québec à Montréal und der University of Calgary durchgeführt. An der Studie nahmen insgesamt 886 Menschen mit einem Durchschnittsalter von 60 Jahren teil.
Etwa fünf Prozent der Teilnehmer hatten eine Diagnose von klinischen Depressionen. Nachdem sie alle einen Belastungstest gemacht hatten, wurden ihr Blutdruck und ihre Herzfrequenz fünf Minuten lang gemessen. Dann verglichen die Forscher den Blutdruck und die Herzfrequenz während dieser Erholungsphase bei Teilnehmern mit und ohne Depressionen.
Der Leiter der Studie Simon Bacon, ein Professor in der Abteilung Sportwissenschaft der Concordia University, der am Montreal Heart Institute forscht, sagt:
„Wir stellten fest, dass es länger dauerte, bis die Herzfrequenz der Depressionspatienten zu ihrem Normalwert zurückkehrte. Die Normalisierung der Herzfrequenz nach körperlicher Anstrengung ist eine Möglichkeit die Kampf-oder-Flucht-Reaktion auf Stress zu messen. Die verzögerte Rückkehr zur normalen Herzfrequenz bei Depressionspatienten zeigt, dass ihre Stressantwort gestört ist. Wir glauben, dass diese Störung zu ihrem erhöhten Risiko für Herzkrankheiten beitragen kann.
Die Quintessenz dieser Studie ist, dass medizinisches Personal sich nicht nur um die psychische Störung kümmern sollte, sondern auch um mögliche Herzkrankheiten bei Patienten, die unter Depressionen leiden. Beide Gesundheitsprobleme sollten behandelt werden, um das Risiko für ernsthafte Schäden zu minimieren.“
Quellen:
Medical News Today, 29. Nov 2011
Gordon et al. Psychophysiology, Nov 2011
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Rubrik: Burnout/Stress, Depression
Tags: begleitende Erkrankung, klinische Studie, Prävention, Risikofaktor