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Was sagen 50 Jahre Forschung zum Thema „Schläge in der Kindererziehung“?

23. Mai 2016

Nach §1631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Bundesrepublik Deutschland zu Inhalt und Grenzen der Personensorge ist jegliche Art von körperlicher Bestrafung von Kindern verboten. Der Text lautet: „(2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“ Der deutsche Rechtsstaat ist durch die erdrückende Beweiskraft der jahrzehntelangen Forschung zum Thema im Jahr 2000 aktiv geworden. Er sorgte per Gesetz dafür, dass hier lebende Kinder so geschützt sind, dass sie sich bestmöglich entwickeln können. Weltweit waren die skandinavischen Länder Vorreiter, Schweden verabschiedete schon 1989 ein derartiges Gesetz. Im europäischen und lateinamerikanischen Raum haben sich mittlerweile viele Länder angeschlossen, wobei es in Europa eine Zweiteilung gibt, die eine Unterscheidung zwischen Schlägen in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten von Schlägen zu Hause unterscheidet. In Italien und Frankreich sind beispielsweise Schläge zur Züchtigung zu Hause gesetzlich nicht verboten. Die Vereinigten Staaten liegen beim Schutz Minderjähriger weit hinten, es gibt keine gesetzliche Regelung zur körperlichen Züchtigung von Kindern. Der folgende Artikel versteht sich auf diesem Hintergrund besser, da darin eine Unterscheidung zwischen körperlichen Strafen zur Züchtigung und körperlich missbrauchender Gewalt gemacht wird.

Wenn Kinder geschlagen werden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich ihren Eltern widersetzen, dass sie unsoziales Verhalten, Aggression, psychische Probleme und kognitive Schwierigkeiten erleben. Das verdeutlicht eine Metastudie von Wissenschaftlern der Universitäten von Texas und Michigan, die Forschung zum Thema Gewalt durch Schläge aus den letzten 50 Jahren zusammenfasst.

Diese Studie blickt zurück auf 50 Jahre Forschung, die mit über 160 000 Kindern durchgeführt wurde. Sie ist heute die umfassendste Analyse zu den Folgen von Schlägen. Außerdem ist sie die einzige, die nur das Schlagen bzw. geschlagen werden untersucht, andere Studien schließen weitere Typen physischer Bestrafung in ihre Analysen ein.

Diese Forschungsarbeit fokussiert das, was die meisten als Schlagen (zur Züchtigung) bezeichnen würden und nicht als körperliche Misshandlungen. Es wurde herausgefunden, dass Schlagen in Zusammenhang mit ungewollten schädigenden Folgen zusammengebracht wird und nicht mit unmittelbarer oder langfristiger Folgsamkeit, was von den Eltern, die ihre Kinder mittels Schlagen erziehen, erwartet wird. Ein weiteres Ergebnis war, dass Schlagen (hier definiert als: ein Schlag mit offener Hand auf das Hinterteil oder die Extremitäten) signifikant mit 13 der 17 untersuchten Schädigungsfolgen zusammenhing.

In der Studie wurden auch Erwachsene untersucht, die als Kinder geschlagen wurden. Dabei stellte sich heraus, dass diese, je mehr sie geschlagen wurden, desto häufiger antisoziales Verhalten und/oder psychische Probleme zeigten. Sie zeigten ebenfalls eher die Neigung, körperliche Strafen bei ihren eigenen Kindern einzusetzen, was auf das Schlüsselmerkmal aufmerksam macht, dass die Einstellung zum Schlagen von Generation zu Generation weitergegeben wird.

Die Forscher überblickten eine große Anzahl an Studien und fanden heraus, dass Schlagen über unterschiedliche Arten von Studien konsistent mit negativen Folgen verknüpft ist – auch in Längsschnittstudien oder experimentellen Designs, die bekanntlich methodisch am stärksten arbeiten. 80 % der Eltern weltweit schlagen ihre Kinder nach einem UNICEF Bericht aus dem Jahr 2014. Und es muss noch einmal unterstrichen werden, dass keine erkennbaren positiven Folgen durch das Schlagen entstehen, sondern die umfassende Erkenntnis zutrifft, dass es ein Risiko für das Verhalten und die Entwicklung der Kinder darstellt.

Sowohl Schlagen als auch körperliche Misshandlungen wurden mit den gleichen schädlichen Folgen quasi gleichen Ausmaßes festgestellt.

Die Annahme ist weit verbreitet, dass Schlagen und körperliche Misshandlungen sich unterscheiden, doch die Forschung belegt, dass Schlagen mit denselben negativen Folgen für das Kind zusammenhängt, auch wenn das Ausmaß etwas milder ist.

Die Studienergebnisse sind konsistent mit einem aktuellen Bericht des amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (Institut zur Krankheitskontrolle und -prävention), in dem es die Öffentlichkeit aufforderte „öffentliches Engagement, Erziehungskampagnen und ein Vorgehen der Judikative zur Reduktion von körperlicher Züchtigung“ zu aktivieren – Schlagen als Form der körperlichen Kindesmisshandlung inbegriffen. Die Autoren der Studie hoffen sehr, dass Eltern sich über die möglichen Risiken des Schlagens erkundigen und rufen alle Eltern dazu auf, positive und nicht-bestrafende Formen der Maßregelung zu nutzen.

Quellen:

https://www.sciencedaily.com/releases/2016/04/160425143106.htm

Rubrik: Kinder & Jugendliche, Mensch & Gruppe


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