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Nachteule oder Lerche, das ist hier die Frage?

17. März 2016

Wer kennt sie nicht, die Morgenmuffel, die ewig brauchen, um in den Tag zu kommen, aber im späteren Verlauf des Tages topfit werden und nachts zu unerwarteten Leistungen fähig sind? Im Gegenzug dazu gibt es die absoluten Frühaufsteher, die gleich nach dem Aufstehen sofort einsatzbereit sind, in den frühsten Morgenstunden höchst aktiv sind – meist den Sonnenaufgang auch im Sommer beobachten können – und dafür aber schon ins Bett fallen, wenn für andere der Abend erst beginnt. Diese Beobachtungen beschreiben Menschen, die zu den beiden Extrembereichen des sogenannten Chronotyps (chronos = Zeit im Altgriechischen) liegen.

Im 18. Jahrhundert entdeckte man, dass die bei der Pflanze Mimose auftretenden über den Tag verteilten Blattschwingungen auch im komplett abgedunkelten Raum weiterauftreten. Daraus folgerte man, dass sich Lebewesen an die äußere Umwelt anpassen, indem sich ihre biologischen Prozesse nach ihr richten. So entstanden biologische Rhythmen mit unterschiedlicher zeitlicher Dauer, z.B. Rhythmen, die sich ungefähr alle 24 Stunden wiederholen wie der Schlaf-Wach-Rhythmus, oder auch Rhythmen, die sich jährlich wiederholen wie der Winterschlaf im Tierreich.

Die Chronobiologie beim Menschen beschäftigt sich mit der Frage danach, in welchen Rhythmen Menschen nach ihrer inneren biologischen Uhr aufstehen, leistungsfähig bzw. aktiv sind, zur Ruhe kommen und letztlich zu Bett gehen, was mit einer Reihe physiologischer Parameter (Temperatur, Hormonspiegel etc.) zusammenhängt. Es gibt drei Typen, die sich in der Bevölkerung annähernd normal verteilt, den Morgentypen (Lerche), den Normaltypen und den Abendtypen (Eule), wovon sich 60 % der Bevölkerung ungefähr auf den Normaltyp verteilen.
Bedeutsam ist, dass diese Chronotypen Einfluss auf unser physisches und psychisches Erleben haben.

Das Alter bestimmt die Ausprägung des Chronotypen über die Lebenszeit hinweg bei allen drei Typen in einem bestimmten Muster. Im Kleinkindalter sind alle Menschen eher Morgentypen, was sich erst mit dem Beginn der Pubertät ab ca. 12 Jahren ändert und bei allen Jugendlichen zu einer unausweichlichen Verschiebung zum Abendtyp führt. Im Laufe der 20er, auf jeden Fall in den 30ern gibt es dann eine erneute Verschiebung hin zum Morgentyp mit den oben erwähnten individuellen Ausprägungen (60 % Normaltyp, 40 % verteilt auf die beiden Extremtypen). Die Tatsache, dass man wissenschaftlich beweisen kann, dass Jugendliche biologisch bedingt einen in die Nacht verschobenen Schlaf-Wach-Rhythmus haben, sollte zu mehr Verständnis in der Erziehung führen. Der frühe Schulbeginn in Deutschland (in anderen Ländern ist 9.00 Uhr Praxis) ist vielleicht in dem Altersbereich nicht so sinnvoll wie gedacht und führt dazu, dass Jugendliche prinzipiell eher unausgeschlafen sind und länger brauchen, um in den Tag zu kommen.

Weitere Faktoren beeinflussen den Chronotyp. Frauen sind häufiger Morgentypen als Männer. Es scheint, dass die Jahreszeit, in der man geboren wurde eine Rolle bei der Ausprägung des Typs spielt. Personen, die im Winter geboren sind, also weniger Licht am Tag abbekommen können, tendieren dazu, Morgentypen zu werden und Personen, die im Sommer geboren sind, werden eher Abendtypen. Genauso scheint der Breitengrad des Herkunftslandes dazu beizutragen, welchen Typ man entwickelt. In nördlichen und östlichen Ländern scheinen Morgentypen eher vorzukommen, dafür in südlichen und westlichen Ländern eher Abendtypen.

Es gibt Studien, die einen Zusammenhang zwischen dem Chronotyp und dem Wohlbefinden finden. Nachteulen scheinen eher ein Leben zu führen, das zu weniger Wohlbefinden führt als Lerchen. Der Lebensstil der Nachteulen ist tendenziell als unregelmäßiger und ungesünder beschrieben als der der Lerchen. Auch treten bei Nachteulen vermehrt psychische Erkrankungen wie Depression, Essstörungen und Abhängigkeitserkrankungen auf als bei Lerchen. Eulen scheinen nach Stand der Forschung eher extrovertiert, impulsiv, offen für Neues und aufgeschlossen zu sein, dafür aber auch eher psychisch labil und anfällig für psychische Störungen. Während Morgentypen eher introvertiert, gewissenhaft, verträglich, stetig und emotional stabil sind.

Die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Nachteulen, an einer psychischen Erkrankung zu leiden, ist teilweise genetisch bedingt, doch spielen auch der dem Abendtyp eigene Lebensstil und Persönlichkeitseigenschaften eine Rolle.
Wenn die innere Uhr und die äußere Zeit nicht übereinstimmen, was man im Allgemeinen Jetlag nennt, hat das einen negativen Einfluss auf unser Wohlbefinden. Beispielsweise bei dem durch lange Flugreisen bedingten Jetlag brauchen manche Menschen mehrere Tage, um sich an die anderen zeitlichen Bedingungen anzupassen. Jeder kennt das im Kleinen, wenn uns zwei Mal im Jahr die Zeitumstellung dazu zwingt, früher aufzustehen oder gefühlt länger zu arbeiten.
Da unsere Gesellschaft Rahmenbedingungen setzt, die eher tendenziell dem Morgentypen entsprechen, erleben Abendtypen kontinuierlich einen Jetlag, in dem Fall als sozialen Jetlag bezeichnet. Es braucht noch weitere Forschung, um herauszufinden, ob der Zusammenhang zwischen psychischer Erkrankungen und schlechterem Wohlbefinden mit dem Abendtyp vielleicht auch dadurch mitverursacht werden kann. Denn es entsteht definitiv Stress und ein Belastungsgefühl, wenn man gegen seine innere Uhr leben muss.

Quellen:

A Adan, SN Archer, MP Hidalgo, L Di Milia, V Natale, C Randler: Circadian typology: a comprehensive review, Chronobiology International 29 (9), 1153-1175, 2012

C Randler: Morningness-eveningness, sleep-wake variables and big five personality factors, Personality and Individual Differences 45 (2), 191-196, 2008

C Randler: Morningness–eveningness and satisfaction with life, Social Indicators Research 86 (2), 297-302, 2008

https://de.wikipedia.org/wiki/Chronobiologie

Rubrik: Allgemeines, Schlafstörungen


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