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Bin ich schön genug?

30. April 2016

In einer Zeit, in der von den Medien suggeriert wird, dass jeder so schön sein kann wie die beliebtesten Schauspieler, wenn er oder sie nur genug dafür in Kauf nimmt, und diese Stars häufig auch nur durch extreme Maßnahmen (Schönheitsoperationen, exzessives Diäten, striktes Sportprogramm etc.) einem Ideal zu entsprechen versuchen, ist es nicht einfach für jeden Einzelnen, mit dem eigenen Aussehen zufrieden zu sein und die eigenen Unvollkommenheiten anzunehmen. Es gibt allerdings Menschen, die so sehr unter einem Aspekt ihres Aussehens leiden, dass sie sich ständig damit beschäftigen und sich immer mehr aus einem lebendigen Erleben zurückziehen, dass sie Hilfe von außen bedürfen. Man nennt diese Art der Überzeugung, entstellt oder hässlich zu sein, Dysmorphophobie (aus dem Altgriechischen: dys = schlecht, morphä = Form, Phobos = Furcht).

Dysmorphophobie ist eine ernsthafte psychiatrische Störung, bei der die Fixierung auf einen vorgestellten Defekt im eigenen Aussehen im Mittelpunkt der Gedanken steht. Dabei kann es sich um jeden Körperteil handeln, typisch jedoch werden Unvollkommenheiten oder Entstellungen an Gesicht und Haaren beklagt, beispielsweise ein schiefes Lächeln, ungleiche Lippen oder ein unförmiger Kopf, oder es wird das Gefühl beschrieben, im Allgemeinen hässlich zu sein.

Menschen, die an Dysmorphophobie leiden, steigern sich so sehr in diese vorgestellten oder kaum wahrnehmbaren Entstellungen hinein, dass es sich negativ auf ihre Beziehungen und ihre Lebensqualität auswirkt. Es ist fast unmöglich, sie mit Hilfe von Überzeugungskraft davon abzubringen, das die vorgestellte Unvollkommenheiten nicht real (im Sinne von „von außen wahrnehmbar“) ist.

Dysmorphophobie wird im klinischen Setting oft übersehen. Wenn sie erkannt wird, kann sie erfolgreich durch den Einsatz von Kognitiver Verhaltenstherapie und/oder Medikation behandelt werden.

Fakten zur Dysmorphophobie:

  • Dysmorphophobie wurde vor über 100 Jahren das erste Mal beschrieben und findet sich weltweit
  • Ãœblicherweise setzt die Störung im Verlauf der Adoleszenz ein
  • Es kann bis zu 17 Jahren dauern, bevor Dysmorphophobie richtig diagnostiziert wird, da viele Patienten aus Scham ihre Symptome verschweigen
  • Man glaubt, dass Dysmorphophobie eine genetische Komponente hat
  • 1-2 % der amerikanischen Bevölkerung sind betroffen, unter den Patienten plastischer oder kosmetischer Chirurgie finden sich schon 7-15%
  • Mehr als 90% der Betroffenen berichten, dass sich Symptome nach kosmetischer Chirurgie nicht aufgelöst und teils verschlechtert haben
  • Betroffene leiden häufig auch unter anderen psychischen Erkrankungen wie Depression, soziale Phobie und Zwangsstörungen
  • Betroffene haben meist wenige oder keine Freunde; 20% sind arbeitslos, 55% unverheiratet
  • Unbehandelt erhöht Dysmorphophobie die Wahrscheinlichkeit suizidal zu werden

 

Betroffene sind davon überzeugt, dass mit ihrem Aussehen etwas nicht stimmt, auch wenn der wahrgenommene Fehler minimal oder nichtexistent ist. Die Störung hat wenig damit zu tun wie eine Person wirklich aussieht, sondern am ehesten mit dem Körperschema oder der Selbstwahrnehmung der Betroffenen.

Die drei Kriterien der Dysmorphophobie:

  1. Beschäftigung mit einer Entstellung im Aussehen, wobei die Entstellung entweder nur vorgestellt oder in einem geringen Maße vorhanden ist
  2. Die Beschäftigung verursacht signifikanten Stress in sozialen, arbeitstechnischen oder anderen Funktionsbereichen
  3. Die Beschäftigung ist nicht besser durch eine andere Erkrankung erklärbar (Anorexia nervosa, Hypochondrie)

 

Betroffene suchen ständige Beruhigung und werden frustriert, wenn andere die Entstellung nicht sehen. Viele leiden unter einem Bezugswahn, womit gemeint ist, dass sie denken, dass andere Personen auf ihre Entstellung starren, darüber reden oder lästern. Sie können durch ihr Aussehen so abgelenkt werden, dass sie nicht mehr arbeiten oder soziale Kontakte pflegen können, bleiben zu Hause, weil sie glauben, dass sie zu hässlich sind, um in die Öffentlichkeit zu gehen.

Ursachen

Die genauen Ursachen für Dysmorphophobie sind nicht bekannt, obwohl eine Vielzahl an Theorien angedacht wurde. Sie könnte vererbt sein, da ihre Auftretenswahrscheinlichkeit vier Mal so hoch ist bei Verwandten ersten Grades von Betroffenen, die unter Dysmorphophobie leiden. Dysmorphophobie steht aber scheinbar auch in Verbindung mit Zwangsstörungen; Sie tritt häufig bei Betroffenen einer Zwangsstörung und deren Verwandten auf und reagiert auf die gleiche Behandlungsart positiv.

Funktionale Abweichungen in der Verarbeitung visueller Reize und dem limbischen System des Gehirns wurden auch als mögliche Ursache diskutiert. Letztlich könnte ein niedriges Level an Serotonin ein weiterer Faktor sein, der eine Rolle spielt.

Symptome

Der Kern der Dysmorphophobie liegt in der Beschäftigung mit einer vorgestellten Entstellung in Bezug auf ihre Äußeres oder einer exzessiven Reaktion auf eine leichte körperliche Unvollkommenheit. Es ist eine chronische Störung, die stärker und schwächer werden kann, und die von einem Körperteil zu anderen wechseln kann.

Häufig werden Unvollkommenheiten der Haut (Akne, Falten, fettige Haut), des Gesichts (Gesichtsbehaarung), der Nase, des Munds, der Zähne, der Glatze, der Brüste oder Genitalien bemängelt.

Typische Verhaltensweisen Betroffener

  • Beschäftigung mit ihrem Aussehen, wobei sie unter starker Gehemmtheit leiden
  • Zwanghaftes Berühren, drücken, messen oder Starren auf die Unvollkommenheit
  • Andauerndes Lesen über oder Nachforschen zur wahrgenommenen Unvollkommenheit
  • Vernachlässigen der wichtigen Dinge des Lebens wie Arbeit, Familie, Gesundheit und Wohlbefinden
  • Fixierung oder Vermeidung von Spiegeln, wozu zwanghaftes in den Spiegel, in reflektierende Türen, Fenster oder andere reflektierende Oberflächen sehen gehört, oder ein Entfernen aller Spiegel zu Hause
  • Starkes Bemühen, die Unvollkommenheit z.B. durch Perücken, Hüte oder Make-up zu verdecken
  • Ständiges Verwenden von Kosmetikartikeln dermatologischen Mitteln, um die Unvollkommenheit zu beseitigen

 

Betroffene denken im Allgemeinen zwischen 3-8 Stunden täglich über ihre wahrgenommenen Unvollkommenheiten nach und können diese Gedanken nur schwer kontrollieren. Versuche, sie davon zu überzeugen, dass die Unvollkommenheit entweder nicht existiert oder nur leicht wahrnehmbar ist, sind zwecklos, die Betroffenen werden weiterhin unter ihren vorgestellten Entstellungen leiden.

Diagnose

Ärzte übersehen ein Auftreten von Dysmorphophobie häufig, da sie entweder nicht über die Störung informiert sind oder weil Patienten ihre Symptome häufig aus großer Scham verstecken.

Obwohl Dysmorphophobie eine psychiatrische Erkrankung ist, werden wenige Patienten von einem Psychologen oder Psychiater behandelt, weil die Betroffenen selbst ihre Probleme als körperlich wahrnehmen. Häufig suchen sie Kieferorthopäden, Dermatologen, Kosmetiker oder Schönheitschirurgen auf.

Da man Dysmorphophobie nur durch eine klinische Anamnese und im Interview entdecken kann, ist es wichtig, Patienten, die eine Schönheitsoperation durchführen, einen Fragebogen zur Dysmorphophobie zu geben.

Die Behandlung von Dysmorphophobie umfasst Kognitive Verhaltenstherapie, Medikation und Beratung.

Dysmorphophobie ist eine ernsthafte psychische Erkrankung, die sich in exzessiver Sorge um das eigene Aussehen und eine kleine oder vorgestellte körperliche Entstellung dreht. Da Dysmorphophobie im klinischen Setting kaum erkannt wird, werden Betroffene oft nicht angemessen diagnostiziert und behandelt, und haben somit eine stark beeinträchtigte Lebensqualität.

Ärzte, Familienmitglieder und Lehrer von Personen mit hohem Risiko müssen auf die Störung aufmerksam werden und die Betroffenen notwendigerweise zu einer genaueren Untersuchung einladen. Außerdem ist es wichtig, Betroffene von unnötigen chirurgischen Eingriffen abzuhalten.

Da Dysmorphophobie eine chronische Problematik ist, brauchen die Betroffenen eine Langzeitbehandlung mit Follow-up Terminen nach der Behandlung. Im Laufe der Zeit wirkt bei Betroffenen der Dysmorphophobie die Kombination von Verhaltenstherapie und Psychopharmaka am besten.

Quellen:

http://www.medicalnewstoday.com/articles/309254.php

Rubrik: Mensch & Gruppe, Psychosomatik & Schmerzen, Zwangsstörung


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