skip to content

Was hilft gegen „Binge-Eating“ (Heißhungeranfälle/ Fressanfälle)?

13. April 2010

Was hilft gegen Binge-Eating Heisshungeranfälle Fressanfälle sPatienten mit Binge-Eating-Störung haben immer wieder „Fressanfälle“, die manchmal, aber nicht immer durch Heißhunger ausgelöst werden. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass ein simples Programm diesen Patienten anhaltende Hilfe bieten kann. Wir haben einen Presseartikel des Forschungsinstituts von Anfang April übersetzt, der die noch nicht veröffentlichten Ergebnisse zusammenfasst:

Eine neue Studie zeigt, dass ein zwölfwöchiges Programm Patienten mit Binge-Eating-Störung helfen kann, ihre Heißhungeranfälle zu kontrollieren. Die Wirkung hält mindestens ein Jahr lang an, und die Behandlung spart Patienten sogar Geld. Periodisch auftretendes Binge-Eating ist die häufigste Essstörung in den USA, wo mehr als drei Prozent der Bevölkerung, d.h. neun Millionen Menschen darunter leiden. Doch die Behandlungsmöglichkeiten für Patienten sind begrenzt.

Die Ergebnisse der Studie, der ersten ihrer Art, von Forschern des Kaiser Permanente Center for Health Research, der Wesleyan University und der Rutgers University in den USA zeigen, dass mehr als dreiundsechzig Prozent der Studienteilnehmer nach dem Programm keine Heißhungeranfälle mehr hatten. Bei einer Kontrollgruppe von Patienten, die nicht am Programm teilgenommen hatten, lag die Quote bei achtundzwanzig Prozent. Das Programm dauerte nur zwölf Wochen, aber die meisten Teilnehmer hatten auch ein Jahr später keine Heißhungeranfälle mehr.

Nach einer zweiten Studie, deren Ergebnisse demnächst in der gleichen Ausgabe des Journal of Consulting and Clinical Psychology veröffentlicht werden sollen, sparte das Programm seinen Teilnehmern Geld, weil sie weniger für Dinge wie Nahrungsergänzungsmittel und Schlankheitskuren ausgaben.

„Es ist selten, dass solche Programme funktionieren und Patienten auch noch Geld sparen. So sind alle Gewinner“, sagt die Autorin der Studie Dr. Frances Lynch, eine Gesundheitsökonomin am Kaiser Permanente Center for Health Research. „Jeder Krankenversicherer sollte überlegen, ob er diese Art von Programmen einführt.“

„Bei einem Heißhungeranfall essen Leute in kurzer Zeit viel mehr als andere und verlieren dabei jede Kontrolle über das Essen. Diese Patienten haben oft auch Depressionen, Schamgefühle, Minderwertigkeitskomplexe, und sie nehmen zu. Das alles kostet das Gesundheitswesen weitere Millionen“, sagt die Studienleiterin Ruth H. Striegel-Moore, die Professorin für Psychologie an der Wesleyan University ist. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich periodisch auftretende Heißhungeranfälle mit einem kurzen und einfach durchführbaren Programm behandeln lassen. Das ist eine großartige Nachricht für Patienten und ihre Krankenkassen.“

In letzter Zeit war das öffentliche Interesse an Binge-Eating besonders groß, weil die American Psychiatric Association empfohlen hat, es sollte wie Ess-Brech-Sucht und Magersucht als eine eigene Essstörung eingestuft werden. Die Forscher glauben, diese neue Diagnose dürfte in Zukunft noch mehr Aufmerksamkeit auf Binge-Eating und seine Behandlung lenken. Sie könnte auch einen Einfluss darauf haben, wie oft Ärzte Patienten eine Diagnose von Binge-Eating stellen und in wieweit die Krankenkassen die Kosten für die Behandlung tragen.

Die Studie wurde 2004 bis 2005 in den US-Bundesstaaten Oregon und Südwest-Washington an 123 Mitgliedern des Gesundheitsplans von Kaiser Permanente (ein amerikanischer Krankenversicherer) durchgeführt. Über neunzig Prozent der Patienten waren Frauen, und das Durchschnittsalter war siebenunddreißig Jahre. Alle Teilnehmer mussten in den drei Monaten vor Beginn der Studie mindestens einen Heißhungeranfall pro Woche gehabt haben und keine Pausen von zwei Wochen oder länger zwischen einzelnen Anfällen. Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip einer Behandlungsgruppe oder einer gleich großen Kontrollgruppe zugeteilt. Die Patienten der Kontrollgruppe hatten weiter ihre gewohnte Standardbehandlung.

Die Teilnehmer der Behandlungsgruppe lasen ein Selbsthilfebuch von Dr. Christopher G. Fairburn, einem Professor für Psychiatrie und Experten auf dem Gebiet der Essstörungen. (Das Buch ist unter dem Titel „Ess-Attacken stoppen. Ein Selbsthilfeprogramm“ auf Deutsch erschienen.) Es bietet ausführliche wissenschaftliche Informationen über Binge-Eating und beschreibt die sechs Punkte eines Selbsthilfeprogramms, in dessen Mittelpunkt Selbstüberwachung, Selbstkontrolle und Strategien zur Problemlösung stehen. Die Patienten nahmen zwölf Wochen lang an insgesamt acht Sitzungen teil, in denen ein Therapeut ihnen die Prinzipien der kognitiven Verhaltenstherapie erklärte und ihnen half, die Strategien des Buches in die Tat umzusetzen. Die erste Sitzung dauerte eine Stunde und die Folgenden zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten. Die ganze Behandlung kostete durchschnittlich 167 Dollar pro Patient.

Alle Teilnehmer erhielten per Post Kurzinformationen über den Gesundheitsplan für eine gesunde Lebensführung und Ernährung und wurden ermutigt, sich bei ihrem Hausarzt über Gesundheitspläne zu erkundigen.

Nach Ende des zwölfwöchigen Programms hatten 63,5 Prozent der Teilnehmer der Behandlungsgruppe keine Heißhungeranfälle mehr. Auch 28,3 Prozent der Patienten in der Kontrollgruppe, die nicht am Programm teilnahmen, hatten keine Heißhungeranfälle mehr. Sechs Monate später hatten in der Behandlungsgruppe 74,5 Prozent der Patienten keine Heißhungeranfälle mehr und in der Kontrollgruppe 44,1 Prozent. Nach einem Jahr waren die Werte 64,2 beziehungsweise 44,6 Prozent.

Alle Studienteilnehmer machten genaue Angaben zu ihren Heißhungeranfällen, wie oft sie nicht oder weniger effektiv arbeiten konnten, und wie viel Geld sie für ihre Gesundheit, Schlankheitskuren und Nahrungsergänzungsmittel zum Schlankwerden ausgaben. Außerdem untersuchten die Forscher die Kosten für Medikamente, Arztbesuche und andere Gesundheitsdienstleistungen.

Aus diesen Daten errechneten die Forscher die Kosten für beide Patientengruppen. Danach waren die durchschnittlichen Gesamtkosten für die Behandlungsgruppe 447 Dollar niedriger als für die Kontrollgruppe. Von den Ersparnissen entfielen 149 Dollar auf die Patienten selbst, die weniger für Schlankheitskuren, rezeptfreie Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel ausgaben. Die Gesamtkosten waren 3670 Dollar pro Person und Jahr für die Behandlungsgruppe verglichen mit 4098 Dollar für die Kontrollgruppe.

„Die Ergebnisse unseres Programms sind vielversprechend. Aber wir raten jedem, der Probleme mit Heißhungeranfällen hat, erst mit seinem Arzt zu besprechen, ob dieses Programm auch für ihn das Richtige ist“, sagt die Mitautorin der Studie Dr. Lynn DeBar, die als klinische Psychologin am Kaiser Permanente Center for Health Research arbeitet.

Quelle:

Kaiser Permanente News Center, 1.4.10

Verwandte Artikel:

Wie viele Frauen leiden unter Essstörungen?

BZGA aktualisiert ihr Info-Angebot zum Thema Essstörungen

Wie hängt Bulimie mit impulsivem Verhalten zusammen?

Wie hilft Psychotherapie bei Essstörungen?

Rubrik: Essstörungen
Tags: , ,


Comments are closed.

Zurück zum Anfang