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Lässt sich Demenz mit Verhaltenstherapie behandeln?

6. April 2012

Werden-wir-im-Alter-glücklicher-1-300x199In Deutschland leiden mehr als eine Million Menschen an Demenz. Die meisten dieser Patienten sind pflegebedürftig. Eine aktuelle Studie hat die Wahnvorstellungen untersucht, die für Demenz charakteristisch sind. Wir haben den Presseartikel eines Sponsors der Universität über die Studie von Ende März übersetzt, die zeigt, dass die Wahnvorstellungen dieser Patienten gar nicht so irrational sind:

Demenz – ein akuter Verlust geistiger Fähigkeiten – kann sich durch Symptome wie Gedächtnisschwund, eine verkürzte Aufmerksamkeitsspanne und Desorientierung äußern. Sie tritt bei ernsten psychischen Störungen wie Alzheimer auf. Obwohl die Erkrankung häufig ist, besonders bei älteren Menschen, gibt es heute noch keine effektive Behandlung.

Laut Prof. Jiska Cohen-Mansfield vom Herczeg-Institut für Altersforschung und der Sackler-Fakultät für Medizin der Universität Tel Aviv in Israel werden Demenzpatienten oft psychotrope Medikamente verschrieben, um Symptome wie Wahnvorstellungen abzuschwächen. Aber sie sagt, dass diese Taktik manchmal mehr schadet als nützt. Denn viele der Wahnvorstellungen, unter denen Demenzpatienten leiden, können eine rationale Basis haben. Daher könnte es effektiver sein die Patienten mit Verhaltenstherapie als mit Medikamenten zu behandeln, meint Prof. Cohen-Mansfield. Ein besseres Verständnis ihrer Wahnvorstellungen hat direkte Auswirkungen auf die Betreuung von Menschen, die unter Demenz leiden, und wie wir die Patienten sehen.

Die Studie, die in Zusammenarbeit mit Prof. Hava Golander von der Abteilung Pflegewissenschaften der Universität Tel Aviv und Dr. Joshua Ben-Israel und Dr. Doron Garfinkel vom Shoham Medical Center durchgeführt wurde, erschien jetzt in dem Journal Psychiatry Research.

Eine rationale Basis für Wahnvorstellungen

Die Forscher untersuchten sechs häufige Arten von Wahnvorstellungen, wie die Angst verlassen zu werden, den Verdacht dem Patienten wurden seine Sachen gestohlen und das Gefühl „nicht zu Hause“ zu sein. Die Studienteilnehmer waren 74 Erwachsene aus neun Pflegeheimen in Israel, die eine Diagnose von Demenz hatten. Das Forscherteam befragte die Betreuer der Patienten, examinierte Krankenschwestern und Personal der Pflegeheime, die täglich mit ihnen zu tun hatten.

Die Forscher werteten Faktoren wie den Geisteszustand der Patienten, pathologisches Verhalten und traumatische Erlebnisse in der Vergangenheit aus. Die Betreuer sollten nicht nur die Wahnvorstellungen der Patienten beschreiben, sondern auch die Umstände schildern, unter denen sie zuerst aufgetreten waren. Die Forscher stellten fest, dass bei Berücksichtigung all dieser Parameter ein Großteil der Wahnvorstellungen, die die Betreuer beschrieben, eine scheinbar logische Erklärung hatte. Bei manchen erlebten die Patienten sogar traumatische Ereignisse wieder, die früher einmal in ihrem Leben stattgefunden hatten.

„Wenn Sie erst einmal anfangen diese Wahnvorstellungen aus der Perspektive des Demenzpatienten durchzudenken, wird Ihnen klar, dass diese Wahnvorstellungen eine nachvollziehbare Sicht der Realität sind, in der sie leben“, erklärt Prof. Cohen-Mansfield. Manche Patienten hatten zum Beispiel das Gefühl „nicht zu Hause“ zu sein, weil das Pflegeheim nach ihrer Definition kein Zuhause war. Ängste gingen oft einher mit einer Trennung von der Außenwelt oder wichtigen Menschen in ihrem Leben – eine rationale Reaktion.

Eine bessere Patientenbetreuung

Diese Ergebnisse könnten sich auf die Art und Weise auswirken, wie Ärzte, Pfleger und Verwandte mit Demenzpatienten umgehen, sagt Prof. Cohen-Mansfield. Wenn man ihre Wahnvorstellungen als „psychotisch“ einstuft, gehören die Patienten in die Kategorie „schwer psychisch krank“, was aber oft nicht der Fall ist. Stattdessen können Betreuer Methoden entwickeln mit Patienten umzugehen, die diese Zusammenhänge berücksichtigen.

Prof. Cohen-Mansfield merkt an, dass die Studienteilnehmer viele Medikamente bekamen, 47 Prozent nahmen Antidepressiva, ein Drittel Beruhigungs- oder Schlafmittel und 13,5 Prozent Antipsychotika. „Wenn Sie herausfinden können, warum der Patient seine ,Wahnvorstellungen’ hat, können Sie sich einen anderen Therapieplan überlegen, um seine Desorientierung zu behandeln“, erklärt sie.

Bei Menschen, die unter Demenz leiden, sind Wahnvorstellungen keine wirkliche Psychose, wie sie in der Psychiatrie definiert ist. Eine gründliche Untersuchung dieser Verhaltensweisen, schreiben die Autoren zum Schluss, wird Mitgefühl und Verständnis fördern und letzten Endes eine Behandlung, die human und einfühlsam ist.

Quellen:

American Friends of Tel Aviv University, 27. März 2012

Cohen-Mansfield et al. Psychiatry Research, Aug 2011

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Rubrik: Alter, Verhaltenstherapie
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