skip to content

Lässt sich Alkoholabhängigkeit durch Sport bekämpfen?

27. Juli 2010

Lässt sich Alkoholabhängigkeit durch Sport bekämpfenSport kann zur Unterstützung bei der Behandlung der verschiedensten psychischen Erkrankungen eingesetzt werden, unter anderem, weil er die Stimmung hebt. Eine neue Untersuchung zeigt, dass Sport auch in der Suchttherapie als eine Art natürliche und gesunde Ersatz-„Droge“ wirken könnte. Wir haben eine Presseerklärung der Nachrichtenagentur EurekAlert zu der Studie vom Juni übersetzt, die die Wechselwirkungen von Sport, Schlafstörungen und Alkoholmissbrauch untersucht hat:

Alkoholmissbrauch hat eine sehr störende Wirkung auf den circadianen Rhythmus (Tag-Nachtrhythmus), aber Störungen des circadianen Rhythmus’ können auch zu Alkoholmissbrauch und zu einem Rückfall bei abstinenten Alkoholikern führen. Die circadiane zeitliche Anpassung wird bei Säugetieren durch Licht und andere Einflüsse wie Essen, soziale Interaktionen und körperliche Aktivität reguliert. Eine neue Studie über den Zusammenhang von Alkoholkonsum und Radlaufen bei Hamstern hat gezeigt, dass Sport eine effektive Methode sein könnte, um den Alkoholkonsum bei Menschen zu reduzieren.

Die Ergebnisse werden in der Septemberausgabe des Journals Alcoholism: Clinical & Experimental Research veröffentlicht, sind aber bereits online zu lesen.

„Die Kennzeichen von Alkoholmissbrauch sind ein Verlangen nach und Konsum von Alkohol, die zur Gewohnheit werden, und dass ein Mensch ohne Alkohol im Alltag nicht mehr normal zurechtkommen kann. Er wirkt sich störend auf die zeitliche Anpassung und Stabilisierung der circadianen Tagesrhythmen aus – wann wir schlafen, essen und Sex haben – die von der circadianen Uhr im Gehirn bestimmt werden”, erklärt der Leiter der Studie J. David Glass, Professor für Biowissenschaften an der Kent State University in den USA.

„Wenn sie ständig Alkohol zu sich nehmen, können Leute zu früh oder zu spät ins Bett gehen, die Nacht nicht durchschlafen und ungewöhnliche Essgewohnheiten entwickeln wie tagsüber wenig essen und/oder spät abends zu viel essen. Das kann bei ihrem Trinkverhalten zu einem Teufelskreis führen, weil diese Leute mit erhöhtem Alkoholkonsum reagieren, um besser einzuschlafen, nur um dann über noch schlechteren Nachtsschlaf zu klagen und außerdem ein stärkeres Verlangen nach Alkohol zu haben”, sagt Glass.

Mit anderen Worten, sagt Alan M. Rosenwasser, Professor für Psychologie an der University of Maine in den USA, chronischer Alkoholmissbrauch und ein gestörter circadianer Rhythmus stehen in einem destruktiven Verhältnis zueinander und haben negative Auswirkungen auf die körperliche und emotionale Gesundheit. „Daher ist es sehr interessant, dass der Zugang zu Laufrädern und anderen Arten freiwilliger körperlicher Betätigung bei Tierexperimenten zu einem wichtigen Umweltfaktor geworden sind, der die Gesundheit des Gehirns, circadiane Rhythmen und das emotionale Wohlbefinden beeinflusst”, sagt er.

Glass stimmt dem zu weist darauf hin, dass körperliche Betätigung wichtig für die lichtunabhängige Regulation der circadianen zeitlichen Anpassung ist. „Wenn man die körperliche Aktivität von Tieren einschränkt”, sagt er, „zum Beispiel indem man ihnen wie in dieser Studie kein Laufrad gibt, hat das eine eindeutig stimulierende Wirkung auf ihren Alkoholkonsum.”

In ihrer Studie untersuchten Glass und seine Mitarbeiter drei Faktoren: den Einfluss des Radlaufens auf den chronischen freiwilligen Konsum von Trinkwasser mit Alkohol (20 Volumenprozent); den Einfluss des Alkoholkonsums auf das Radlaufen bei Hamstern, die vorher noch nie Alkohol getrunken hatten; und den Einfluss von Dauerlicht (LL) sowohl auf den Alkoholkonsum als auch auf das Radlaufen.

„In dieser Untersuchung stellten wir fest, je mehr die Hamster liefen, desto geringer war ihr Alkoholkonsum”, sagt Glass. „Die ,fauleren’ Hamster, die nicht so viel liefen, hatten ein größeres Verlangen nach Alkohol und tranken mehr. Das zeigt, dass körperliche Betätigung eine effektive, nützliche und nicht-medikamentöse Behandlungsmethode für Alkoholismus sein könnte.”

Alkoholkonsum und freiwillige körperliche Betätigung scheinen zwei Verhaltensweise zu sein, die von Natur aus belohnend sind”, fügt Rosenwasser hinzu, „und die belohnenden Effekte dieser beiden Verhaltensweisen könnten teilweise austauschbar sein. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die beiden Verhaltensweisen von überlappenden Systemen im Gehirn reguliert werden.”

Glass ist auch dieser Meinung und merkt an, dass körperliche Betätigung scheinbar ähnliche Veränderungen der Gehirnchemie wie Alkohol hervorrufen kann. „Dopamin ist die wichtigste chemische Substanz, die im Gehirn als Antwort auf jede Art von Belohnung wie Sport, Drogen, Essen und Sex freigesetzt wird”, sagt er. „Für Menschen könnte Sport ein effektiver, nützlicher und auf natürliche Weise belohnender Ersatz für jede Art von Sucht sein. Er könnte auch das Suchtrisiko bei Menschen mit einer Familiengeschichte von Sucht vermindern und außerdem das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Störungen der Stimmungslage erheblich senken. Aber wie bei allen Belohnungen sollte man Sport in Maßen treiben, sodass er das normale Alltagsleben eines Menschen nicht beeinträchtigt.”

Ein zweites wichtiges Ergebnis war, dass Hamster, die empfindlicher auf den störenden Einfluss von Dauerlicht auf circadiane Rhythmen reagierten, auch ein geringeres Verlangen nach Alkohol hatten. „Daher könnte es eine genetische Veranlagung geben, die Alkoholabhängigkeit und –missbrauch zugrunde liegt und sich unter Bedingungen zeigt, die den circadianen Rhythmus stören”, sagt Glass, „wie Schichtarbeit, Schlafstörungen oder wiederholter Jetlag.”

„Mehrere Forschungsgruppen haben in letzter Zeit ein Interesse für die Zusammenhänge zwischen circadianen Uhren, Sport und Alkohol– und Drogenmissbrauch entwickelt”, sagt Rosenwasser. „Im Allgemeinen haben die Untersuchungen auf diesem Gebiet gezeigt, dass Alkoholmissbrauch einen sehr störenden Einfluss auf biologische Rhythmen haben kann, dass diese Störungen späteren Alkoholmissbrauch begünstigen können, und dass Sport ein wichtiger Umweltfaktor ist, der sowohl circadiane Rhythmen als auch den Alkoholkonsum beeinflusst. Diese Studien haben zu mehreren neuen Richtungen in der Alkoholforschung geführt und geben Anlass zu der Hoffnung, dass Behandlungsmethoden entwickelt werden können, die von circadianen Rhythmen und/oder Sport Gebrauch machen, um das Management der ernsten und behindernden Begleiterkrankungen von exzessivem Trinken zu verbessern.”

„Viele in der Öffentlichkeit aber auch viele Ärzte betrachten Alkoholmissbrauch und Alkoholsucht immer noch als Charakterschwäche und mangelnde ,Willensstärke’”, sagt Rosenwasser. „Ergebnisse wie diese helfen, Alkoholmissbrauch-Erkrankungen in einen weiteren biologischen Kontext zu stellen, und zeigen, dass sowohl physiologische als auch Umweltfaktoren zu exzessivem Alkoholkonsum beitragen. Deshalb müssen diese physiologischen und Umweltfaktoren untersucht werden, um Alkoholmissbrauch und andere Formen exzessiven Verhaltens effektiv kontrollieren zu können.”

Quellen:

EurekAlert!, 21.6.10

Hammer et al. Alcoholism: Clinical & Experimental Research, 2010

Verwandte Artikel:

Kann Paartherapie alkoholkranken Frauen eher helfen als individuelle Verhaltenstherapie?

Was kann man gegen Schlafstörungen tun?

Lassen sich Ängste und Depressionen durch körperliche Bewegung therapieren?

Weitere Links:

Wie hilft Psychotherapie bei Suchterkrankungen?

Wie hilft Psychotherapie bei Schlafstörungen?

Zur Praxis für Psychotherapie in München

Zur Praxis für Psychotherapie in Düsseldorf

Rubrik: Schlafstörungen, Sucht/Substanzmissbrauch
Tags: , , , ,


Comments are closed.

Zurück zum Anfang