Wie sehr geht Stress aufs Herz?
Psychischer Stress hat eine Fülle von negativen Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit. Er erhöht das Risiko für so verschiedene Krankheiten wie Schnupfen, Rückenschmerzen und Herzinfarkt. Eine neue Studie hat das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen durch chronischen Stress quantifiziert. Wir haben die Presseerklärung der Universität zu der Studie vom Dezember übersetzt, die Stress mit anderen Risikofaktoren für die Herzgesundheit verglich:
Fühlen Sie sich gestresst? Eine neue Metaanalyse von sechs Studien an fast 120 000 Menschen zeigt, dass die Antwort auf diese Frage vorhersagen könnte, wie hoch Ihr Risiko ist koronare Herzkrankheit (KHK) zu entwickeln oder daran zu sterben. Die Ergebnisse der Studie unter Leitung von Forschern des Columbia University Medical Centers (CUMC) in den USA wurden vor Kurzem im American Journal of Cardiology veröffentlicht.
Die sechs großen Studien, die in der Metaanalyse statistisch neu ausgewertet wurden, waren sogenannte „prospektive, beobachtende Kohortenstudien“, in denen die Teilnehmer gefragt wurden, wie gestresst sie sich fühlten (zum Beispiel: “Wie sehr fühlen Sie sich unter Stress?” oder „Wie oft fühlen Sie sich gestresst“). Die Antworten wurden als hoch oder niedrig gewertet. Dann beobachteten die Forscher die Teilnehmer für im Durchschnitt vierzehn Jahre und verglichen die Anzahl der Herzinfarkte und Todesfälle durch KHK in beiden Gruppen. Die Ergebnisse zeigten, dass Menschen, die sich sehr gestresst fühlen, ein um 27 Prozent erhöhtes Risiko haben KHK zu entwickeln (definiert als eine neue Diagnose oder ein Krankenhausaufenthalt) oder an KHK zu sterben.
„Es ist allgemein anerkannt, dass es einen Zusammenhang zwischen Stress und Herzerkrankungen gibt. Aber dies ist die erste metaanalytische Übersichtsarbeit, die den Zusammenhang zwischen subjektiv empfundenem Stress und Fällen von KHK untersucht hat“, sagt Dr. Donald Edmondson, der Lehrbeauftragter für Verhaltensmedizin am CUMC ist und die Studie leitete. „Dies ist der genauste Schätzwert für diesen Zusammenhang und er bestätigt die weit verbreitete Meinung, dass allgemeiner Stress und Herzgesundheit zusammenhängen. Im Vergleich zu traditionellen Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen führt hoher Stress zu einem mäßigen Anstieg des KHK-Risikos, so viel wie zum Beispiel ein Anstieg von 50 mg/dL beim Wert für LDL-Cholesterin, ein um 2,7/1,4 mmHg erhöhter Blutdruck oder fünf Zigaretten mehr pro Tag rauchen.“
„Diese Ergebnisse sind wichtig, weil sie auf nahezu jeden anwendbar sind”, sagt Dr. Safiya Richardson, die erste Autorin, die zusammen mit Dr. Edmondson an der Studie arbeitete, während sie am College of Physicians and Surgeons der Columbia University war. (Sie machte 2012 ihr Examen und arbeitet gegenwärtig als Assistenzärztin beim North Shore Long Island Jewish Health System in Manhasset, New York). „Für die Herzgesundheit ist es wichtig, und das ist hier das Entscheidende, wie sich ein Mensch fühlt. Alles was man tun kann, um Stress abzubauen, könnte daher die Herzgesundheit in späteren Jahren verbessern.“
Die koronare Herzkrankheit (KHK) wird auch als koronare Arterienkrankheit bezeichnet und ist eine Verengung der kleinen Blutgefäße, die das Herz mit Blut und Sauerstoff versorgen. Sie wird durch eine Ansammlung von Plaque in den Arterien verursacht, was zu einer Verhärtung der Arterien oder auch Arteriosklerose führen kann. KHK ist die häufigste Todesursache für Männer und Frauen in den USA, wo jedes Jahr mehr als 385 000 Menschen an KHK sterben.
Die Forscher analysierten die Daten weiter, um nach möglichen Ursachen für den Zusammenhang zwischen Stress und KHK zu suchen. Die Ergebnisse zeigten, dass das Geschlecht kein wichtiger Faktor war, wohl aber das Alter. Die Leute in diesen Studien hatten ein Alter von 43 bis 74 Jahren und bei älteren war der Zusammenhang von Stress und KHK stärker ausgeprägter.
„Wir können nicht mit Sicherheit sagen, warum es einen Zusammenhang zwischen dem Alter und der Wirkung von subjektiv empfundenem Stress auf die KHK zu geben scheint. Aber wir glauben, dass sich Stress mit der Zeit schlimmern könnte. Zum Beispiel könnte jemand, der sich mit sechzig sehr gestresst fühlt, auch mit vierzig oder fünfzig schon sehr gestresst gewesen sein.“ Außerdem weist Dr. Edmondson darauf hin, dass ältere Menschen häufig noch andere Risikofaktoren für KHK haben, zum Beispiel hohen Blutdruck, und dass Stress mit diesen Risikofaktoren zusammenwirken könnte, sodass Menschen eine Herzerkrankung entwickeln.
„Der nächste Schritt wird die Durchführung randomisierter Studien sein, um zu testen, ob Maßnahmen zur Stressreduktion, die auf die breite Bevölkerung abzielen, kosteneffektiv sind. Künftige Studien sollten untersuchen, ob der Stress, den Leute empfinden, etwas mit ihren tatsächlichen Lebensumständen zu tun hat (zum Beispiel umziehen oder jemanden pflegen), oder ob er mit stabilen Persönlichkeitsmerkmalen zusammenhängt (zum Beispiel Typ A oder B)“, sagt Dr. Edmondson.
„Außerdem müssen wir uns fragen, warum wir diesen Zusammenhang zwischen Stress und KHK gefunden haben, zum Beispiel welche biologischen Komponenten oder Mechanismen daran beteiligt sind, und welche Rolle die Umwelt oder der Lebensstil spielen (zum Beispiel die Ernährung, Alkohol- und Drogenkonsum, Sport), und wie man diese Faktoren am besten beeinflussen kann, um das KHK-Risiko zu senken“, sagt Dr. Richardson.
Quellen:
CUMC News, 17. Dez 2012
Richardson et al. American Journal of Cardiology, Dez 2012
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Rubrik: Burnout/Stress
Tags: klinische Studie, Prävention, Risikofaktor, Umwelt, Wahrnehmung