Wie gestresst sind Arbeitnehmer wirklich?
Der Schaden für Unternehmen durch Mitarbeiter, die vor lauter Stress krank werden, beläuft sich jedes Jahr auf mehrere Milliarden Euro. Mind, eine gemeinnützige Stiftung in Großbritannien, hat untersuchen lassen, wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit dem Thema „Stress“ auf der Arbeit umgehen. Wir haben die Presseerklärung zu der Studie vom März übersetzt, die ein Problem untersuchte, über das viele aus Angst um den Arbeitsplatz nicht offen reden:
Nach einer Untersuchung, die im Auftrag von Mind durchgeführt wurde, ist die Arbeit der größte Stressfaktor im Leben von Menschen. Jeder dritte Befragte (34 Prozent) gab an, dass er sein Berufsleben als sehr oder ziemlich stressig empfindet. Die Arbeit rangiert damit noch vor Schulden oder finanziellen Problemen (30 Prozent) oder der Gesundheit (17 Prozent).
Die Umfrage unter 2000 Menschen zeigte, dass Stress am Arbeitsplatz bei sieben Prozent der Befragten schon zu Selbstmordgedanken geführt hatte (sogar zehn Prozent bei 18- bis 24-Jährigen). Jeder Fünfte (18 Prozent) entwickelte Ängste. Oft war Stress der Grund dafür, dass Leute ihre Hilfe bei Alkohol und Drogen suchten. Drei von fünf Befragten (57 Prozent) gaben an, dass sie nach der Arbeit trinken, und einer von sieben (14 Prozent), dass er während des Arbeitstages trinkt, um den Stress und Druck am Arbeitsplatz aushalten zu können. Andere Bewältigungsmechanismen, die Leute benutzten, waren rauchen (28 Prozent), Antidepressiva nehmen (15 Prozent), rezeptfreie Schlafmittel (16 Prozent) und verschreibungspflichtige Schlaftabletten (10 Prozent).
Die Ergebnisse zeigen weiter, dass die Kultur aus Angst und Schweigen zu Stress und psychischen Gesundheitsproblemen Arbeitgeber teuer zu stehen kommt.
Das Wichtigste in Zahlen:
• Jeder Fünfte (19 Prozent) hat sich schon einmal wegen Stress für einen Tag krankschreiben lassen. Aber 90 Prozent dieser Leute gaben einen anderen Grund an, warum sie nicht zur Arbeit kamen.
• Jeder Zehnte (9 Prozent) hat schon einmal eine Stelle wegen zu viel Stress aufgegeben und jeder Vierte (25 Prozent) hat überlegt, ob er wegen zu hohem Druck am Arbeitsplatz kündigen sollte.
• Jeder Fünfte (19 Prozent) war der Meinung, er könne es seinem Chef nicht sagen, wenn der Stress für ihn zu viel wird.
• Von den 22 Prozent, bei denen der Arzt eine psychische Erkrankung festgestellt hatte, sagten noch nicht einmal die Hälfte (10 Prozent) ihrem Chef die Diagnose.
• Mehr als die Hälfte der Manager (56 Prozent) sagte, sie würden gerne mehr tun, um das psychische Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter zu verbessern, aber sie bräuchten mehr Training und/oder Anleitung. Und 46 Prozent gaben an, sie würden gerne mehr tun, aber es sei in ihrer Organisation keine Priorität.
Paul Farmer, der Geschäftsführer von Mind, einer gemeinnützigen Stiftung in Großbritannien, sagt:
„Psychische Gesundheitsprobleme, die mit der Arbeit zusammenhängen, sind etwas zu Wichtiges, als dass Unternehmen sie ignorieren könnten. Unsere Untersuchung zeigt, dass Arbeitnehmer auf der Arbeit immer noch sehr viel Stress ausgesetzt sind, was negative Auswirkungen auf ihre körperliche und seelische Gesundheit hat. Wir wissen, dass heute jeder sechste Arbeitnehmer unter Depressionen, Stress oder Ängsten leidet und dennoch zeigt unsere Befragung, dass die meisten Manager der Meinung sind, sie hätten nicht genug Training oder die nötige Anleitung, um ihnen zu helfen.“
„Das seelische Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu verbessern muss nicht viel kosten. Unsere Studie zeigt, dass Leute aus Organisationen, die flexible Arbeitszeiten und großzügigen Urlaub anboten, sagten, solche Maßnahmen wären gut für ihr seelisches Wohlbefinden. Drei von fünf Befragten meinten, wenn ihr Arbeitgeber etwas unternähme, was das seelische Wohlbefinden aller Mitarbeiter fördert, würden sie darauf mit mehr Loyalität, Motivation und Einsatz reagieren. Außerdem würden sie ihren Arbeitsplatz eher als einen Ort empfehlen, wo es sich gut arbeiten lässt.“
Mind fordert Manager und Mitarbeiter von Personalabteilungen auf sich zu ihren kostenlosen Webinars anzumelden, die sich darauf konzentrieren, wie man psychisch gesunde Arbeitplätze in wirtschaftlich schwierigen Zeiten schaffen und Mitarbeiter unterstützen kann, die gestresst sind oder Probleme mit ihrer psychischen Gesundheit haben.
(Für die Untersuchung interviewte Populus, ein Meinungsforschungsinstitut, im März dieses Jahres 2060 berufstätige Menschen über 18 in Großbritannien.)
Quelle:
Mind News, 19. März 2013
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Rubrik: Burnout/Stress, Leistungsfähigkeit
Tags: klinische Studie, Prävention, Risikofaktor, Sozialpsychologie, Umwelt
Christoph Schlachte
April 25th, 2013
Sprachlosigkeit in Organisationen gibt es nicht nur beim Stress.
Es fehlt häufig tatsächliche Dialogfähigkeit. Die Absicht sich besser zu verständigen ist häufig auf allen Seiten gegeben.
Die Wirkung der Kommunikation ist häufig eine andere. Nach meiner Erfahrung ist das häufig den Beteiligten nicht bewusst. Wenn solche Situationen konkret zusammen erlebet werden und diese „wertneutral“ gespiegelt werden und dann zusammen nach Auswirkungen dieses Verhaltens gesucht wird; dann gibt es viele „Aha Effekte“.
Viele Führungs- und Fachkräfte haben gute Trainings zu Führungskräfteentwicklung und Kommunikation bekommen; kennen also „die 4 Seiten (Ohren/Zungen) einer Nachricht von Schulz von Thun“ in der Theorie und im Trainingskontext. Allerdings ist die eigene Organisationskultur ein anderer Kontext. Hier braucht es aus meiner Erfahrung „Ãœbersetzungshilfe“ und quasi ein „Coaching on the Job“ mit Teams und Führung.
Klar steht in fast allen „Führungsleitbildern“ so was wie, „Wir kommunizieren offen.“ und Fehler sind Chancen. Doch was passiert den im Alltag wirklich, wenn der Teamleiter anderer Meinung als sein Abteilungsleiter ist und er Kritik übt. Was passiert denn, wenn ich sage, die Arbeit wird mir zuviel. Ist das ein guter Schritt auf dem Karrierepfad?
Dazu braucht es eine andere Art von Führungs- und Organisationskultur. Da geht es um gelebte Haltung und Vertrauen. Das lässt sich erarbeiten.
Wird vom Management vorgelebt, dass man „Fehler“ machen darf, dass man sich müde fühlen kann, dass man eine Auszeit braucht um auf neue Ideen zu kommen, dann hat das eine große Wirkung in Organisationen. Nicht von heute auf morgen.