Was ist wichtiger für die Lebenszufriedenheit: Geld oder Freunde?
Wenn man Leute fragt, was das Wichtigste in ihrem Leben ist, landen auf Platz eins entweder die Arbeit, Beziehungen (Partner, Familie) oder die Gesundheit, also je nach Umfrage recht unterschiedliche Dinge. Eine aktuelle Studie hat untersucht, welche Rolle der soziale Status bei der Zufriedenheit von Menschen spielt, und dabei den gesellschaftlichen Status und den unter Freunden und Bekannten verglichen. Wir haben die Presseerklärung des Herausgebers zu der Studie vom Juni übersetzt, die an jungen Leuten durchgeführt wurde:
Eine neue Studie zeigt, dass die Zufriedenheit eines Menschen mit seinem Leben mehr davon abhängt, wie sehr er von den Menschen in seinem Umkreis respektiert und bewundert wird, als von dem Status, den jemand mit einem dicken Bankkonto hat.
Der Psychologe und Forscher Cameron Anderson von der Haas School of Business an der University of California, Berkeley und seine Mitautoren untersuchen das Verhältnis von verschiedenen Arten des Status und dem Wohlbefinden in einem neuen Artikel, der in Psychological Science, einem Journal der Association for Psychological Science, erschienen ist.
„Wir haben uns für diese Frage interessiert, weil sehr viele Forschungsarbeiten zeigen, dass ein höherer sozioökonomischer Status (höheres Einkommen oder Wohlstand, höhere Bildung) das subjektive Wohlbefinden (oder die Zufriedenheit) so gut wie nicht steigert. Trotzdem behaupten aber viele Theorien, dass ein hoher Status einen Menschen glücklich machen sollte“, sagt Anderson.
Wenn also ein höherer sozioökonomischer Status nicht gleichbedeutend ist mit größerer Zufriedenheit, was dann? Anderson und seine Mitarbeiter stellten die Hypothese auf, dass ein hoher soziometrischer Status – Respekt und Bewunderung in der direkten Umgebung eines Menschen wie Freundeskreis, Nachbarschaft oder Sportverein – wichtig für das allgemeine Wohlbefinden sein könnte. „Wer einen hohen Status in seinem engeren sozialen Umkreis hat, wird mehr respektiert werden, einen größeren Einfluss haben und besser im sozialen Netz seiner Gruppe integriert sein“, sagt Anderson.
Anderson und seine Kollegen beschlossen ihre Hypothese in einer Reihe von vier Studien zu testen.
In der ersten Studie befragten sie 80 Studenten eines Colleges, die an zwölf verschiedenen Campusgruppen teilnahmen, darunter „Sororities“ (Studentinnenverbindungen) und ROTCs (Reserveoffizier-Ausbildungskorps an amerikanischen Colleges). Der soziometrische Status jedes Studenten wurde durch eine Kombination aus der Einschätzung durch andere Studenten, Selbsteinschätzung und der Anzahl von Führungspositionen errechnet, die der Student in seiner Gruppe innehatte. Außerdem machten die Studenten Angaben über ihr Haushaltseinkommen und beantworteten Fragen zu ihrem sozialen Wohlbefinden. Nachdem die Forscher Kontrollen für Unterschiede bei Geschlecht und ethnischer Herkunft gemacht hatten, zeigten die Daten, dass der soziometrische Status (nicht aber der sozioökonomische Status) das soziale Wohlbefinden der Studenten vorhersagte.
Die Forscher konnten diese Ergebnisse in einer zweiten Studie bestätigen, in der sie eine größere und weniger homogene Gruppe von Studienteilnehmern untersuchten. Diese zweite Studie zeigte auch, dass sich der Zusammenhang von soziometrischem Status und Wohlbefinden zumindest teilweise durch das Gefühl von Macht und sozialer Akzeptanz erklären ließ, das die Studenten in ihren persönlichen Beziehungen empfanden. In der dritten Studie konnten Anderson und seine Kollegen zeigen, dass sich der Zusammenhang von soziometrischem Status und Wohlbefinden in einer experimentellen Situation erzeugen und manipulieren lässt.
In einer vierten Studie wollten die Forscher den Zusammenhang in der realen Welt testen. Sie beobachteten Studenten über den Verlauf ihres Studiengangs (Master der Betriebswirtschaft) und konnten zeigen, dass Veränderungen des soziometrischen Status durch einen erfolgreichen Studienabschluss entsprechende Auswirkungen auf das soziale Wohlbefinden der Studenten hatten. Außerdem sagte der soziometrische Status nach dem Studienabschluss das soziale Wohlbefinden besser voraus als der sozioökonomische Status.
„Ich war überrascht, wie veränderlich diese Effekte waren – wenn jemand auf der Rangliste in seinem engeren sozialen Umkreis auf- oder abstieg, folgte seine Zufriedenheit nach, und das über einen Zeitraum von neun Monaten“, sagte Anderson.
Insgesamt sind diese vier Studien ein klarer Beweis für den Zusammenhang zwischen soziometrischem Status und Wohlbefinden. Aber warum spielt der soziometrische Status eine scheinbar so große Rolle und der sozioökonomische Status keine?
Eine mögliche Erklärung, die Anderson gerne in zukünftigen Studien erforschen würde, ist, dass Menschen sich anpassen. „Einer der Gründe, warum man sich mit Geld kein Glück kaufen kann, ist, dass der Mensch sich schnell an die neue Höhe seines Einkommens oder Wohlstands anpasst. Wenn jemand zum Beispiel die Lotterie gewinnt, ist er zunächst glücklich, aber nach kurzer Zeit ist er dann wieder genauso zufrieden wie vorher“, sagt Anderson.
Vielleicht findet diese Art von Anpassung beim Status im engeren sozialen Umkreis eines Menschen einfach nicht statt. „Es ist möglich, dass respektiert werden, Einfluss haben und sozial integriert sein einfach nie langweilig wird“, sagt Anderson.
Quellen:
Association for Psychological Science, 20. Juni 2012
Anderson et al. Psychological Science, Juli 2012
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Rubrik: Glücksforschung, Mensch & Gruppe
Tags: Selbstbild, Selbstvertrauen, soziales Netzwerk, Sozialpsychologie