Schadet es zu denken, dass man füreinander geschaffen ist?
Ein Mythos der Antike besagt, dass wir Menschen früher einmal Kugelwesen mit vier Händen, vier Füßen und zwei Köpfen waren, die mit großer Kraft und Stärke über die Erde rollten. Aus Hochmut und Überschätzung der eigenen Kraft versuchten diese Kugelwesen, in den Himmel der alten Götter zu rollen, um ihn zu erobern. Zeus entschied, dass die Menschen erhalten bleiben sollen, aber geschwächt werden müssen. So ließ er sie mit Hilfe Apolls in der Mitte in zwei Hälften trennen. Seitdem laufen diese halben Wesen auf der Erde in der ständigen Suche nach der anderen Hälfte umher. Spürbar ist dies für uns Menschen durch das erotische Begehren. Wenn wir die andere Hälfte gefunden haben, wollen wir wieder zu einem Kugelwesen verschmelzen und diesen Partner nie wieder verlassen. So romantisch dieses platonische Märchen klingen mag, stellt sich die Frage, ob ähnliche Vorstellungen der Liebe auch heute in unseren Köpfen bestehen und darüber hinaus vor allem, welche Auswirkungen diese Idealvorstellungen auf unsere tatsächlichen Beziehungen haben. Im folgenden Pressebericht stellen sich Sozialpsychologen diesen Fragen.
Aristoteles sagte: „Liebe besteht aus einer Seele in zwei Körpern.“ Eine neue Studie hat aber herausgefunden, dass es der Beziehung schaden kann, wenn man denkt, dass der eigene Partner und man selbst im Himmel füreinander geschaffen wurden.
Psychologen beobachten, dass Menschen in scheinbar unbegrenzten Arten über Liebe reden und denken. Hinter diesen Verschiedenheiten stehen einige allgemeine Themen, die die Art wie wir über Beziehung denken formen. Zum Beispiel ist eine verbreitete Vorstellung von Liebe die der perfekten Einheit („wie füreinander geschaffen“, „sie ist meine andere Hälfte“); eine andere Vorstellung ist die der Liebe als Reise („schau, wie weit wir gekommen sind“, „wir haben all das gemeinsam überstanden“). Diese beiden Vorstellungen von Liebe sind besonders interessant, weil – nach den Artikelautoren und Sozialpsychologen Spike W.S. Lee von der University of Toronto´s Rotman School of Management und Norbert Schwarz der University of Southern California – sie die Macht haben, die zerstörerischen Effekte von Beziehungskonflikten in der Bewertung der Beziehung entweder hervorzuheben oder herunterzuspielen. Warum? Wenn zwei Personen wirklich füreinander geschaffen sind, warum sollten sie überhaupt Konflikte haben?
„Unsere Ergebnisse widersprechen früherer Forschung, indem sie zeigen, dass Menschen, die implizit ihre Beziehung für eine perfekte Einheit zweier Seelenverwandten halten, eine schlechtere Beziehung führen als Menschen, die ihre Beziehung implizit als eine Reise denken, im Laufe derer sie zusammen wachsen und Dinge bewältigen müssen“, sagt Prof. Lee. „Scheinbar führen unterschiedliche Vorstellungen von Beziehungen zu unterschiedlichen Weisen sie zu bewerten.“
In einem Experiment ließen die Professoren Lee und Schwarz Personen in langjährigen Beziehungen ein Wissensquiz ausfüllen, das Aussagen umfasste, die entweder einen Bezug zur Einheit oder einen zur Reise hatten. Dann sollten sie entweder Konflikte oder Feiern mit ihren Beziehungspartnern erinnern und letztlich ihre Beziehung bewerten. Wie vorhergesagt führt die Erinnerung an Konflikte zu einer schlechteren Bewertung der Beziehung – allerdings nur mit der Vorstellung von Einheit, nicht mit der Vorstellung von Reise. Die Erinnerung von Feiern lässt Personen ihre Beziehung positiver bewerten, unabhängig von der Beziehungsvorstellung.
In zwei nachfolgenden Experimenten riefen die Wissenschaftler die Einheit vs. Reise Vorstellungen in noch subtilerer und zufälligerer Weise hervor. Personen wurden gebeten, Paare geometrischer Formen zu einem Kreis (zur Aktivierung der Einheitsvorstellung) zu formen oder eine Linie durch ein Labyrinth von A nach B zu ziehen (Aktivierung der Reisevorstellung). Solche nicht-sprachlichen, hauptsächlich bildlichen Reize reichten aus, um zu beeinflussen wie die Personen ihre Beziehungen bewerten. Wiederum schaden Konflikte der Zufriedenheit in der Beziehung unter Bedingungen der Einheitsvorstellung, nicht aber der Reisevorstellung.
Beim nächsten Streit mit Ihrem Partner denken Sie – wie es Prof. Lee und Prof. Schwarz empfehlen – daran, was Sie am Altar versprachen: „[Name], ich nehme dich zu meine(m/r) angetrauten Mann (Frau), ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens, in guten und in schlechten Zeiten, in Gesundheit und Krankheit. Bis das der Tod uns scheidet.“ Es ist eine Reise. Dann werden Sie sich besser fühlen und es wird Ihnen entlang der gemeinsamen Straße besser gehen.
Die Studie wurde in einer aktuellen Ausgabe des Journal of Experimental Social Psychology veröffentlicht.
Ãœbersetzungsquelle:
http://www.sciencedaily.com/releases/2014/07/140724112549.htm
Der Text basiert auf Materialien, die von der University of Toronto, Rotman School of Management zur Verfügung gestellt werden.
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