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Rubrik: Hirnforschung

Was findet bei Magersucht im Kopf statt?

5. Oktober 2009

In einem Pressearchiv bin ich auf einen Artikel vom vergangenen Sommer gestoßen, den ich sehr interessant finde. In diesem geht es unter anderem darum, welchen Beitrag die Hirnforschung dazu leistet, die (Hinter-)Gründe für Magersucht – einem weiterhin schwer zu therapierenden Krankheitsbild – zu verstehen. Ich fasse den englischen Beitrag in Auszügen zusammen. Ist dieses Mal ein bißchen länger als sonst, aber es braucht die Länge, sonst versteht man nicht, worum es geht:


Wie hängt Bulimie mit impulsivem Verhalten zusammen?

20. Januar 2009

Wie hängt Bulimie mit impulsivem Verhalten zusammen sIn der aktuellen Ausgabe von Archives of General Psychiatry ist eine interessante Studie veröffentlicht worden, die wieder einmal aufzeigt, dass die Hirnforschung wichtige Beiträge zur Erklärung (und langfristig wohl auch zur  Behandlung) von psychischen Krankheiten liefern kann.  In einem Experiment gingen Forscher um Rachel Marsh von der Columbia University der Frage nach, ob Frauen mit Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht) grundsätzlich impulsiveres Verhalten zeigen als  Frauen ohne Bulimie. Hierzu wurden zwei Gruppen von 20 Frauen mit bzw. ohne Bulimie einem Test unterzogen, bei dem die zunächst richtig erscheinende Reaktion auf eine Aufgabe nicht die richtige ist. Die Testpersonen wurden also  gezielt einem (falschen) Anfangsimpuls ausgesetzt. Nur wenn man diesem nicht nachgab, konnte man die richtige Antwort geben bzw. die richtige Reaktion zeigen. Während des Experiments wurden zudem die Hirnaktivitäten der Versuchspersonen gemessen.

Die Hypothese der Forscher bestätigte sich: Die Frauen mit Bulimie gaben überzufällig häufig dem (falschen) Anfangsimpuls nach und machten daher mehr Fehler als die Vergleichspersonen. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass die Hirnareale, die mit bewusster Verhaltenskontrolle in Verbindung gebracht werden, bei den Frauen mit Bulimie nicht im gleichen Maße aktiviert waren wie bei der Vergleichsgruppe.

Diese Ergebnisse sind ein Hinweis, dass Frauen mit Bulimie möglicherweise grundsätzlich impulsiver sind und weniger in der Lage, ihr Verhalten in bestimmten Situationen zu steuern.  Dies entspricht auch den Selbstdarstellungen von Frauen mit Bulimie, die ihre Ess-Attacken  häufig als „totalen Kontrollverlust“ beschreiben.

Quelle:

Marsh et al. Arch Gen Psychiatry 2009;66(1):51-63

Autorin: Dr. Rose Shaw, München

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Warum neigen wir dazu, mit der Masse zu gehen?

15. Januar 2009

Warum neigen wir dazu, mit der Masse zu gehen-1In der heute veröffentlichten Ausgabe der Zeitschrift Neuron ist eine interessante Studie erschienen, in der über die spezifischen Hirnaktivitäten berichtet wird, die offenbar unsere Neigung „der Mehrheit zu folgen“ erklären helfen.

Dass Gruppenmeinungen einen erheblichen Einfluss auf eigene Entscheidungen haben, ist bereits in vielen Untersuchungen nachgewiesen worden.  Die zugrundeliegenden neuronalen Gehirnaktivitäten sind bislang allerdings noch weitgehend unklar.  Der Autor der Studie, Vasily Klucharev vom F.C. Donders Center for Cognitive Neuroimaging in den Niederlanden,  vertritt folgende Hypothese:  Soziale Konformität wird durch „Verstärkungslernen“ hergestellt. Konkret heisst dies: Sozial konformes Verhalten wird von der Gruppe belohnt und verstärkt daher entsprechendes Individualverhalten in der Zukunft.  Ein wesentliches Element für Verhaltensänderungen im Konzept des Verstärkungslernen ist der sogenannte „Vorhersagefehler“ (predicition error), d.h. die Diskrepanz zwischen erwarteten und tatsächlichem Ergebnis eines Verhaltens.  Dieser (erkannte) Vorhersagefehler erzeugt im Menschen das Bedürfnis zur Verhaltensanpassung (damit dieser Fehler in Zukunft nicht mehr eintritt).

In ihrem Experiment untersuchte das Team von Klucharev die Hirnaktivität von Personen, die zunächst die Attraktivität von präsentierten Gesichtern bewerten sollten und anschließend erfuhren, welche Einschätzungen die Mehrheit einer Gruppe hierzu hatte.  Wie in vielen Studien zuvor, passten die Versuchspersonen auch in diesem Experiment ihr Urteil der Mehrheitsmeinung an. Gleichzeitig konnte jedoch auch gezeigt werden, dass dieser Anpassungprozess einhergeht mit verstärkter neuronaler Aktivität in den Gehirnregionen, die mit Belohnungserwartung und -bewertung in Verbindung gebracht werden. Das Ergebnis: Je höher die Aktivität in dieser Region, desto eher passten die Versuchspersonen ihre Meinung der Mehrheitsmeinung an.

Was bedeutet dies? Die Ergebnisse sind ein starker Indikator, dass nicht nur individuelles, sondern auch soziales Verhalten über klassisches Verstärkungslernen (übrigens einer der Grundpfeiler der Vehaltenstherapie)  beschrieben und erklärt werden kann. Außerdem sind sie ein weiterer faszinierender Beleg für die seit Jahren steigende Bedeutung der Hirnforschung für die Beschreibung und Erklärung von menschlichem Verhalten.

Quelle:

Klucharev et al. Neuron, Jan 2009

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