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Hängt emotionale Intelligenz von der Schichtzugehörigkeit ab?

5. Dezember 2010

Hängt emotionale Intelligenz von der Schichtzugehörigkeit abIntelligenz (vom Lateinischen „zwischen etwas wählen können “ im Sinne von erkennen, verstehen) hat viele verschiedene Aspekte – von rein akademischen bis zu rein praktischen. Eine aktuelle Studie hat das Einfühlungsvermögen, eine emotionale Seite der Intelligenz, untersucht und zeigt, dass Menschen diese Fähigkeit je nach ihrem sozialen Status unterschiedlich nutzen. Wir haben die Presseerklärung des Herausgebers der Studie von vor zwei Wochen übersetzt, die weitverbreiteten Klischees von der Intelligenz widerspricht:

Menschen aus der Oberschicht haben bessere Ausbildungschancen, eine größere finanzielle Sicherheit und bessere Berufsaussichten als Menschen aus unteren Gesellschaftsschichten, aber das heißt nicht, dass sie alles besser können. Eine neue Studie, die in Psychological Science, einem Journal der Association for Psychological Science, erschien, kommt überraschend zu dem Ergebnis, dass Menschen aus unteren Gesellschaftsschichten die Emotionen anderer besser einschätzen können.

Anlass für ihre Untersuchung war die Beobachtung der Forscher, dass für einen Menschen aus der Unterschicht der Erfolg im Leben stärker davon abhängt, wie sehr er sich auf andere verlassen kann. Wenn man sich zum Beispiel niemanden leisten kann, der einem zur Hand geht, wie eine Tagesmutter für die Kinder, ist man auf Nachbarn oder Verwandte angewiesen, die auf die Kinder aufpassen, wenn man zu einem Abendkurs geht oder Besorgungen macht, sagt Michael W. Kraus von der University of California-San Francisco. Er führte die Studie zusammen mit Stéphane Côté von der University of Toronto und Dacher Keltner von der University of California-Berkeley durch.

In einem Experiment untersuchten sie freiwillige Mitarbeiter an einer Universität. Manche hatten einen Collegeabschluss und andere nicht. Dabei diente den Forschern das Bildungsniveau als ein ungefähres Maß für die Gesellschaftsschicht der Testpersonen. Die Freiwilligen machten einen Test für die Wahrnehmung von Emotionen, bei dem sie Gesichter auf Fotos betrachteten und einschätzten, welche Emotion die Gesichter jeweils ausdrückten. Gebildete Menschen waren bei diesem Test weniger gebildeten unterlegen. In einem anderen Experiment hatten Universitätsstudenten mit einem höheren Sozialstatus (dem sozioökonomischen Status ihrer Familie nach der Selbsteinschätzung der Studenten) größere Schwierigkeiten, die Emotionen eines Unbekannten in einem Jobinterview mit mehreren Personen richtig zu erkennen.

Diese Ergebnisse zeigen, dass Menschen mit einem hohen gesellschaftlichen Status die Emotionen anderer weniger gut erkennen können. Die Forscher vermuten, das liegt daran, dass sie ihre Probleme wie im Beispiel mit der Kindesbetreuung lösen können, ohne sich auf andere verlassen zu müssen – sie sind von ihren Mitmenschen nicht so abhängig.

Ein letztes Experiment zeigte, wenn in Menschen der Eindruck erweckt wurde, dass sie einen niedrigeren sozialen Status hatten als in Wirklichkeit, konnten sie Emotionen besser einschätzen. Das zeigt, dass diese Fähigkeit „nicht etwas ist, das tief verwurzelt in einem Menschen steckt“, sagt Kraus. „Vielmehr ist es der kulturelle Kontext, der diese Unterschiede hervorruft.“ Er sagt, diese Studie macht deutlich, dass die Stereotypen von sozialen Klassen nicht gerechtfertigt sind. „Es stimmt nicht, dass ein Mensch aus der Unterschicht auf jeden Fall weniger intelligent sein muss als jemand aus der Oberschicht. Entscheidend ist der soziale Kontext, in dem ein Mensch lebt, und welchen spezifischen Anforderungen er sich gegenübersieht. Wenn Sie den Kontext auch nur vorübergehend ändern können, lassen sich soziale Klassenunterschiede bei allen möglichen Verhaltensweisen eliminieren.“

Quellen:

Association for Psychological Science, 22.11.10

Kraus et al. Psychological Science, Nov 2010

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Rubrik: Mensch & Gruppe
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