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Wann startet die Sprachentwicklung bei Babys?

19. November 2009

Viele Eltern sind vorsichtig, was sie in Gegenwart ihrer Kinder sagen, damit die Kleinen nichts falsch aufschnappen. Dabei lernen sie wahrscheinlich das meiste richtig, sehr gut und offenbar auch erstaunlich früh. Eine aktuelle Studie hat nun gezeigt, dass bei Babys die Sprachentwicklung schon viel früher beginnt als bisher angenommen. Ich habe die Pressemitteilung der Forscher übersetzt.

Schon von den allerersten Tagen im Leben an hat das Schreien von Babys Merkmale, die typisch für die Sprache seiner Eltern sind. Das zeigt eine neue Studie, die in der Novemberausgabe von Current Biology, einem Journal aus der Cell Press-Reihe, online veröffentlicht wurde. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich Säuglinge Elemente ihrer späteren ersten Sprache schon im Mutterleib aneignen, und damit lange vor ihrem ersten Babbeln oder Gurren.

„Das beeindruckende Ergebnis dieser Studie ist, dass Menschen schon als Neugeborene nicht nur dazu in der Lage sind, unterschiedliche Schreimelodien zu erzeugen, sondern sie verwenden dabei bevorzugt die Melodiemuster, die typisch für die Sprache sind, die sie während ihres Lebens als Fötus in ihrer Umgebung gehört haben, und zwar im letzten Drittel der Schwangerschaft”, sagt Prof. Kathleen Wermke von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. „Im Gegensatz zu althergebrachten Interpretationen sprechen diese Daten für die wichtige Rolle des Schreiens von Säuglingen als ein Ausgangspunkt der Sprachentwicklung.“

Frühere Studien haben gezeigt, dass sich menschliche Föten ab dem letzten Drittel der Schwangerschaft Töne und Geräusche der Außenwelt merken können und dabei ein besonderes Gespür für Melodiebögen der Musik und der Sprache haben. Neugeborene hören die Stimme ihrer Mutter lieber als andere Stimmen. Wenn die Mutter mit ihnen redet, erfassen Babys die emotionale Bedeutung dessen, was sie zu ihnen sagt, durch Änderungen in der Tonhöhe der Sprache der Mutter (auch „Motherese” oder Ammensprache genannt). Ihre Vorliebe für den Klang der Sprache ihrer gewohnten Umgebung und ihre Fähigkeit, verschiedene Sprachen und Veränderungen der Stimmhöhe zu unterscheiden, beruhen vornehmlich auf der Wahrnehmung der Melodie.

Obwohl bekannt war, dass die Muttersprache schon auf den Fötus einwirkt und so die spätere Wahrnehmung Neugeborener beeinflusst, dachten Wissenschaftler, dass sich die Sprache in der Umgebung erst viel später auch auf die Produktion eigener Laute auswirkt, schreiben die Forscher. Nun hat es den Anschein, dass das nicht stimmt.

Wermkes Team machte Tonaufnahmen vom Schreien 60 gesunder Neugeborener, 30 aus französischsprachigen Familien und 30 aus deutschsprachigen, als sie drei bis fünf Tage alt waren. Die Analyse der Tonbänder zeigte eindeutige Unterschiede der Gestalt von Schreimelodien bei Neugeborenen, die bereits manche Grundzüge ihrer jeweiligen Muttersprache erkennen ließen.

Genauer gesagt schreien französische Neugeborene eher mit einem ansteigenden Melodiebogen, während deutsche Neugeborene beim Schreien einen fallenden Melodiebogen bevorzugen. Diese Muster sind typische Unterschiede der beiden Sprachen, sagt Wermke.

Die neuen Daten zeigen einen extrem frühen Einfluss der Muttersprache, sagen die Forscher. Frühere Untersuchungen über das Nachahmen von Vokalen hatten bereits gezeigt, dass Säuglinge die Laute von Vokalen genauso gut nachmachen können, die Erwachsene es ihnen vorsprechen, aber erst ab dem Alter von 12 Wochen. Diese Fähigkeit erfordert eine Kontrolle der Vokalbildung, die der Körper viel früher einfach noch nicht hat, erklären die Forscher.

„Dagegen ist die Nachahmung des Melodiebogens eine Eigenschaft der Sprache, die lediglich wohl koordinierte Mechanismen der Atmung und des Kehlkopfes erfordert, und die durch eine noch unausgereifte Fähigkeit zur Lautbildung nicht eingeschränkt wird“, schreiben die Autoren. „Neugeborene haben wahrscheinlich einen starken Drang, das Verhalten ihrer Mutter nachzuahmen, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und so die Entwicklung einer Bindung zu fördern. Da der Melodiebogen der vielleicht einzige Aspekt der Sprache der Mutter ist, den Neugeborene nachahmen können, ließe sich so erklären, warum wir eine Nachahmung des Melodiebogens in einem solch frühen Alter gefunden haben.“

Quellen:

EurekAlert!, 5.11.09

Mampe et al. Current Biology, Nov 2009

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Rubrik: Kinder & Jugendliche
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1 Kommentieren

  1. Sprachentwicklung schon im Mutterleib? » Sprache, Studie, Mutterleib, Biology, Gespräche, Novemberausgabe, Current, Sprachentwicklung, Ergebnisse, Kindes » Das Schwangerschafts Erlebnis
    November 20th, 2009

    […] eigentlich schon im Mutterleib beginnt (wunderbar in allgemeingültige Sprache gebracht auf dem Blog der Psychotherapie-Praxis Dr. Shaw). Schon von den allerersten Tagen im Leben an hat das Schreien von Babys Merkmale, die typisch für […]

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